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Sperrverfügung im Internet – so gehts in Deutschland

Das Internet ist das Netz der unbegrenzten Möglichkeiten. Dies gilt jedoch nicht nur für friedliche IuK-Dienste, sondern in besonderem Maße für die Begehung von Straftaten. Die Verbreitung von gewaltverherrlichenden, volksverhetzenden oder kinderpornographischen Inhalten, Urheberrechtsverletzungen, Glücksspiel, terroristischer Propaganda und Betrug sind nur ein Teil des Netzes der Netze. Diensteanbieter aus dem eigenen Land ist einfach das Handwerk gelegt. Rechtswidrige Inhalte auf ausländischen Servern lassen sich dagegen nur schwierig oder garnicht (wenn die Inhalte im Ausland nicht strafbar sind) entfernen. Manche Staaten begegnen unliebsamen Seiten aus dem Ausland teilweise mit dem Aufbau des Insellösung, bspw. China mit der sog. Great Firewall (ReH..Mo Blog berichtete).

In Deutschland hat der Diensteanbieter eines Telemediendienstes die Verantwortung für rechtswidrige Inhalte gemäß § 7 Abs. 1 TMG. Strafverfolgungsbehörden und Gefahrenabwehrbehörden richten ihre Maßnahmen daher zunächst gegen den Diensteanbieter(Content-Provider) und gegen den Host-Provider.

Wenn das keinen Erfolg verspricht, beispielsweise weil der Diensteanbieter seinen Inhalt auf einem Host im Ausland hinterlegt hat, kommt nur eine Sperrverfügung in Betracht. Darin weist die zuständige Behörde die Accessprovider an, die betreffene IP  zu sperren, sodass die rechtswidrigen Inhalte für die Endnutzer (des jeweiligen Access-Providers) nicht mehr erreichbar sind.

In Deutschland ist die Staatsanwaltschaft zuständig, soweit mit der Verbreitung der Inhalte Straftaten verwirklicht werden. Bei unzulässigen oder entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten (§§ 4, 5 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, JMStV) ist die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zuständig, die von der zuständigen Landesmedienanstalt gem. § 14 Abs. 2 JMStV gebildet wird. Der JMStV gilt auch für Telemediendienste, vgl. § 2 Abs. 1 JMStV. Bis zur Entscheidung des OVG Münster (B. v. 19.3.2003 – 8 B 2567/02, S.a. NJW 2003, 2183) über die Sperrung zweier rechtsradikalier Internetangebote, führte die Sperrverfügung eher ein Schattendasein.

In dem Fall hatte die Bezirksregierung Düsseldorf als zuständige Kontrollbehörde nach dem MDStV über 70 Accessprovidern mit Sitz in NRW aufgegeben, den Zugang zu zwei rechtsradikalen Websites zu sperren und sofortige Vollziehung angeordnet. Das OVG hat die Ablehnung des VG Arnsbergs über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz der Accessprovider bestätigt. Der rechtswidrige Inhalt sei geeignet Jugendliche schwer zu gefährden, Maßnahmen gegen den Content-Provider hätten sich als nicht durchführbar erwiesen und daher könne auch der Accessprovider herangezogen werden. Die Sperrung sei der Antragstellerin technisch möglich, nur geringfügig aufwendig und damit geeeignet. Der Umstand, dass viele Internetnutzer außerhalb von NRW weiterhin auf die rechtswidrigen Inhalte zugreifen könnten, war für das OVG nicht von Bedeutung, denn es sei dennoch „ein Schritt in die richtige Richtung“. Auch in der Lehre werden Sperrverfügungen gegen Access-Provider teilweise als rechtmäßig (Dietlein, Heinemann, K&R 2004, 418), teilweise als rechtswidrig (Stadler, MMR 2002, 343) angesehen.

Problematischer als die einfach-rechtliche Einordnung, sind die Eingriffe der Sperrverfügung in Grundrechte. Neben der Berufsfreiheit der Access- und Hostprovider, der Meinungsfreiheit der Contentprovider und die Informationsfreiheit der Endnutzer rückt nun vermehrt das Fernmeldegeheimnis in das wissenschaftliche Rampenlicht. Wie das Max-Planck-Institut in einem Gutachten herausfand, ist für die Umsetzung einer Sperrverfügung oftmals die Analyse der angeforderten IP-Adressen und URLs erforderlich. Das Fernmeldegeheimnis, Art. 10 GG, konkretisiert in § 88 Abs. 1 S.1 TKG stellt folgendes klar:

Dem Fernmeldegeheimnis unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war.

Darunter fallen auch die Adressen und Port-Nummern, die für die meisten Sperrtechnologien flächendeckend ausgewertet werden müssen. Im JMStV, RundfunkStV und TMG (§ 7 Abs. 2 S. 3 TMG) ist jedoch festgelegt, dass das Fernmeldegeheimnis zu wahren ist. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung der Sperrverfügung  nicht klargestellt, ob und in wie weit in das Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird. Im Hinblick auf derzeit verwendetete Sperrtechniken und das Fernmeldegeheimnis ist daher das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht der Ansicht, dass Sperrverfügungen derzeit nicht mit der Rechtslage vereinbar sind und dh. unzulässig sind.

Die Bundesregierung plant für Anfang 2009 eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen, die Sperrverfügungen neu regeln sollen. Gerade im Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis ist damit wieder alles offen.  

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