Staatliche Überwachung

(Noch) Keine Gesichtserkennungssoftware bei der Bundespolizei

An immer mehr Bahn- und Flughäfen sollten biometrische Videoüberwachungen eingesetzt und über das neue Bundespolizeigesetz eingeführt werden. Diese sollten Menschen erkennen, wenn deren Fotos in einer Polizeidatenbank gespeichert sind. Jedoch wird dieser automatisierte Bild-Abgleich nun doch nicht durchgesetzt.[1] Der Bundesinnenminister Horst Seehofer verzichtet vorerst darauf, der Bundespolizei den Einsatz der Software an sicherheitsrelevanten Orten zu erlauben.[2] Die Streichung der entsprechenden Passage aus dem Gesetzesentwurfs begründet er mit noch bestehenden juristischen und praktischen Unklarheiten, die geklärt werden müssen.[3] 

 

Wie funktioniert biometrische Gesichtserkennung?

Biometrische Gesichtserkennung arbeitet mittels digitaler Daten, die das Gesicht einer Person aufnehmen. Die Aufnahme wird dann mit charakteristischen Merkmalen versehen und mit bereits gespeicherten Gesichtsbildern verglichen. Dieses Programm kann so feststellen, ob aufgenommene Gesichter mit den gespeicherten Bildern übereinstimmen.[4]

 

Hintergrund

Seit Jahren wird das Thema Gesichtserkennung und in Bezug darauf die Sicherheit und was aus Daten- und Grundrechtsschutz erlaubt werden und was abzulehnen ist, debattiert.[5] In neuen Fassungen des Entwurfs des Bundespolizeigesetzes ist generell die Rede von der „Nutzung von Bildaufzeichnungsgeräten“. Die ältere Ausführung war im Gegensatz dazu detaillierter. Es hieß, dass die Bundespolizei Daten aus Bildaufzeichnungsgeräten „automatisch mit biometrischen Daten abgleiche“, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben weiterverarbeitet oder für die sie eine Berechtigung zum Abruf hat. Geltung soll diese haben, „soweit es sich um Daten von Menschen handelt, die ausgeschrieben sind.“ Dies wurde nun gestrichen.[6] Die neue Fassung des Entwurfs des Bundespolizeigesetzes soll jedoch trotz der Streichung der Passage keine Abkehr der automatisierten Gesichtserkennung darstellen. Der Sprecher der Unionsfraktion Mathias Middelberg (CDU) betont, dass die Bundespolizei in klar definierten Grenzen Kameras zur Gesichtserkennung einsetzen dürfe, da es gerade um die gezielte Suche nach Schwerstkriminellen und Terroristen geht.[7] Zur Debatte soll stehen, dass die Bundespolizei Daten aus Kameras automatisch mit biometrischen Daten von Personen abgleicht, die zur Fahndung ausstehen.[8]

 

Kritik

Der Plan, biometrische Videoüberwachung im Bundespolizeigesetz einzuführen, ist auf viel Gegenwind gestoßen. Insbesondere aufgrund der noch vorhandenen Fehlerquoten: wie zum Beispiel das Pilotenprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz zeigt, weist die automatische Gesichtserkennung noch zahlreiche Probleme auf. Hier wurde die Software getestet und hatte viele Menschen fälschlicherweise als verdächtig markiert.[9] Laut der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken stellt die Videoüberwachung zudem einen zu hohen Eingriff in die Freiheitsrechte dar.[10] Eine Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs scheint hier schwer.[11] Denn gerade in Zeiten der Digitalisierung sollten Bürgerrechte verteidigt und die Freiheiten der Bürgerinnen und Bürger beachtet werden.[12] Für Bürgerinnen und Bürgern sollte generell die Möglichkeit bestehen, sich unerkannt und unbeobachtet im öffentlichen Raum bewegen zu können, ohne dass sie mit einer Erfassung durch derartige Software rechnen müssen.[13] Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) warnte zudem vor einer Ausweitung der automatischen Gesichtserkennung und den damit einhergehenden Sicherheitsrisiken und Beeinträchtigungen der Freiheitsrechte.[14] Auch auf EU-Ebene besteht Unzufriedenheit bezüglich der biometrischen Videoüberwachung. Die EU-Kommission will im Bezug darauf Ansätze erarbeiten, die die Anwendung von künstlicher Intelligenz regulieren soll und möglicherweise Gesichtserkennungsmaßnahmen im Öffentlichen Raum verbieten.[15]

 

Auswirkung der biometrischen Überwachung auf die Bürger

Trotz der Ablehnung der biometrischen Videoüberwachung im Bundespolizeigesetz werden schon heute öffentliche Plätze von Polizisten beobachtet.[16] Die hessische Polizei nutzt dazu zum Beispiel schon die Überwachungssoftware Gotham. Andere Bundesländer wollen sich dem anschließen.[17] Auch sammeln Überwachungs-Apps wie ClearView Daten aus dem Internet. Die App verwendet unerlaubterweise sämtliche Bilder aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Facebook oder Twitter, um Vergleichsdatenbanken, insbesondere von US-Ermittlungsbehörden, zu versorgen. Zwar verwende die App Bilder ohne ausdrückliche Erlaubnis der jeweiligen Webseiten, rechtswidrig sei dies dadurch jedoch noch nicht, so Verwaltungsrichter Malte Engeler. Der Dienst mache so gesehen nichts, was andere Suchmaschinen nicht bereits seit Jahren zur Verfügung stellten.[18] Der Sprecher des Bundesinnenministeriums bemerkte dazu, dass ein Einsatz derartiger Systeme wie ClearView, die sämtliche Bilder aus öffentlichen Quellen verarbeiten, nicht vergleichbar mit der Gesichtserkennungssoftware für die Polizei und auch nicht durch die Sicherheitsbehörden des Bundes geplant seien.[19] Doch welche Auswirkungen hat die Überwachung für uns Bürgerinnen und Bürger? Durch die wachsende Beobachtung und Analyse der Bürgerinnen und Bürger besteht die Gefahr einer Massenüberwachung. Bürgerinnen und Bürger können, wie es zum Beispiel in China und anderen Staaten der Fall ist, zum Objekt totaler Observation werden und sich nicht mehr frei bewegen.[20] FDP-Fraktionsvorsitzender Stephan Thomae warnt vor einer zunehmenden Überwachung, die unbewusst zu Verhaltensveränderungen der Bürgerinnen und Bürger führt und deren Freiheit einschränken kann.[21] Von einer Massenüberwachung seien wir jedoch weit entfernt.[22] Die neue Fassung des Bundespolizeigesetzes hat gerade nicht den Zweck, Bürgerinnen und Bürger dauerhaft zu überwachen. Die Überwachung soll zur Gefahrenabwehr und auch der Strafverfolgung dienen.[23] Aufnahmen durch die entsprechende Software sollen zudem zunächst gespeichert werden, um Informationen zu inhaftierten und zur Fahndung ausgeschriebenen Menschen zu liefern.[24]

 

Fazit

Trotz noch erheblicher Bedenken und Gefahren der automatischen Gesichtserkennungssoftware, soll diese nicht gänzlich verboten, sondern in Grenzen eingesetzt werden. Die Software stellt einen wichtigen Aspekt der Sicherheit für Bürgerinnen und Bürgern dar.[25]  Gerade bei der gezielten Suche nach Schwerstkriminellen und Terroristen hat sich die Technik schon bewährt und soll dies auch zukünftig tun.[26] 

 

 

 


[1] Laufer, Innenministerium streicht automatisierte Gesichtserkennung, netzpolitik.org, 24.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020). 

[2] Dpa, Bundesministerium: Vorerst keine Software zur Gesichtserkennung bei der Bundespolizei, heise.de, 24.01.2020 (zuletzt abgerufen am: 05.02.2020).

[3] Beisel, Plötzlich Pause, sueddeutsche.de, 24.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020). 

[4] Gesichtserkennung, bsi.bund.de (zuletzt abgerufen am 05.02.2020).

[5] Gesichtserkennung: Kameras ja, Software nein, tagesschau.de, 24.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020). 

[6] Dpa, heise.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 2). 

[7] Dpa, heise.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 2).

[8] Lto, Die juristische Presseschau vom 25. Bis 27. Januar 2020, lto.de, 27.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020).

[9] Beisel, sueddeutsche.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 3).

[10] Dachwitz, SPD-Vorsitzende lehnt Seehofers Vorstoß zur Ausweitung der Gesichtserkennung ab, netzpolizik.org, 04.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020).

[11] Dpa, Seehofer hat noch „einige Fragen“ zur Gesichtserkennung, handelsblatt.com, 24.01.2020 (zuletzt abgerufen am 06.02.2020).

[12] Neuerer, SPD-Chefin Esken fordert Verbot von Gesichtserkennung –  FDP und Grüne fürchten „Totalüberwachung“, handelsblatt.com, 23.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020).

[13] Dachwitz, netzpolizik.org, 04.01.2020 (vgl. Fn. 10).

[14] tagesschau.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 5).

[15] Beisel, sueddeutsche.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 3).

[16] Brühl, Diese Technik ist gefährlich, sueddeutsche.de, 12.01.2020, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 06.02.2020).

[17] Mayer-Kuckuk, Total überwacht, fr.de, 24.01.2020, abrufbar unter (zuletzt abgerufen am 06.02.2020).

[18] Köver, EU-Datenschutzregeln schützen nicht vor Gesichter-Suchmaschinen, netzpolitik.org, 21.01.2020 (zuletzt abgerufen am 05.02.2020).

[19] Dpa, handelsblatt.com, 24.01.2020 (vgl. Fn. 11).

[20] Mayer-Kuckuk, fr.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 17).

[21] FDP, Polizeikongress, Nein zur pauschalen Ausweitung öffentlicher Videoüberwachung, liberale.de, 05.02.2020 (zuletzt abgerufen am 06.02.2020).

[22] Müller, Gefährliches Einfallstor, faz.net, 24.01.2020 (zuletzt abgerufen am 06.02.2020).

[23] Müller, faz.net, 24.01.2020 (vgl. Fn. 22).

[24] Polizei verfügt über 5,8 Millionen Gesichtsbilder, spiegel.de, 30.01.2020 (zuletzt abgerufen am 04.02.2020).

[25] heise.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 2).

[26] tagesschau.de, 24.01.2020 (vgl. Fn. 5).

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