AllgemeinDatenschutz

Facebook unterliegt vor dem BGH

Mit Beschluss vom 23. Juni hat der BGH vorläufig den Vorwurf der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch Facebook bestätigt.[1] Das Bundeskartellamt (BKartA) hatte Facebook zuvor untersagt, datenschutzwidrige Nutzungsbedingungen, die Facebook aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung seinen Nutzerinnen und Nutzern diktieren könne, weiter zu verwenden. Die Entscheidung betrifft praxisrelevante Fragen zum Verhältnis von Datenschutz- und Kartellrecht.

Bisheriger Prozessverlauf

Facebook finanziert sich nicht über Beiträge seiner Nutzer, sondern über Werbung. Um diese Werbung an die Nutzer anzupassen, sammelt Facebook Daten. Insbesondere kombiniert Facebook die Daten seiner Nutzer von ihren Facebook Konten mit denen aus anderen sozialen Netzwerken wie Instagram und WhatsApp, die ebenfalls zur Facebook-Gruppe gehören.[2] Darüber hinaus gestatten es die Facebook Nutzungsbedingungen Facebook auch, Nutzerdaten die bei einer von Facebook unabhängigen Internetnutzung gewonnen wurden, zu verarbeiten und verwenden.[3] Die so gewonnen Daten können mithilfe spezieller Analysefunktionen (Facebook Analytics) ausgewertet und zur Optimierung von Werbung verwendet werden.[4] Facebook rechtfertigt die Datenverarbeitung in seinen Nutzungsbedingungen damit, dass die Verwendung der personenbezogenen Daten von Nutzern es ermögliche, diesen relevantere Anzeigen zu präsentieren.[5]

Das BKartA hatte Facebook mittels Verfügung im Frühjahr 2019 die Weiterverwendung seiner bisherigen Nutzungsbedingungen, nach denen die Nutzer eine weitreichende Verarbeitung ihrer Daten akzeptieren mussten, untersagt.[6] Die Verwendung der Nutzungsbedingungen in der bisherigen Form stellt nach Auffassung des BKartA eine verbotene missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung nach § 19 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) dar. Facebook sei auf dem nationalen Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend und missbrauche diese Stellung, indem es DS-GVO widrig außerhalb von Facebook generierte nutzer- und nutzergerätebezogene Daten ohne weitere Einwilligung der Nutzer mit personenbezogenen Daten verknüpfe.[7] So fehle es der Einwilligung zur Datenverarbeitung an der nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) DS-GVO notwendigen Freiwilligkeit, da die Alternative zur Benutzung von Facebook nur darin liegen könnte auf die Nutzung von Facebook insgesamt zu verzichten.[8] Darüber hinaus sei die Datenverarbeitung zumindest in Teilen nicht erforderlich i.S.v. Art. 6 Abs. 1 lit. b) DS-GVO.

Unterstellt, die datenschutzrechtlichen Einschätzungen des BKartA träfen zu, stellt sich die schwierige Frage, ob aus einem datenschutzwidrigen Verhalten durch ein marktmächtiges Unternehmen auch ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot aus § 19 GWB folgt.  Das BKartA bejaht dies ausgehend von der Annahme, dass ein Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen Ausfluss von Marktmacht sei und mithin auch einen kartellrechtswidrigen Ausbeutungsmissbrauch darstellen könne.[9] Denn zum einen beute Facebook in unrechtrechtmäßiger Art und Weise seine Nutzer aus, zum anderen behindere es durch die zu weitreichenden Nutzungsbedingungen auch die Anbieter anderer sozialer Netzwerke. Da die Menge der erhobenen Daten entscheidend für die Attraktivität für potenzielle Werbepartner sei, erschwere es Facebooks rechtswidrige Datenerhebung anderen Mittbewerbern, sich zu etablieren.[10]

Gegen diese Entscheidung wehrte sich Facebook vor dem Kartellsenat des OLG Düsseldorf. Das OLG hat auf Antrag von Facebook die sofortige Vollziehung der Verfügung des BKartA, aufgrund ernstlicher Zweifel an deren Rechtmäßigkeit, nach § 65 Abs. 3 GWB ausgesetzt.[11] Allein die Rechtswidrigkeit einer Vertragskondition könne noch nicht den Vorwurf des Marktmissbrauchs begründen.[12] Gegen diese Entscheidung ging wiederum das BKartA vor dem BGH vor.

Ansicht des BGH

Der BGH hat die Entscheidung des OLG Düsseldorf aufgehoben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde abgelehnt. Für den BGH bestehen weder ernstliche Zweifel daran, dass Facebook auf dem deutschen Markt für soziale Netzwerke eine marktbeherrschende Stellung einnehme, noch daran, dass Facebook diese Stellung durch seine Nutzungsbedingungen ausnutzt.[13] Ausschlaggebend sei allerdings nicht, dass die Datenverarbeitung durch Facebook möglicherweise nicht DS-GVO konform sei, sondern das Facebook seinen Nutzern keine Wahlmöglichkeit biete, weniger Daten von sich preisgeben zu können. Nach den Feststellungen des BKartA würden sich jedoch viele Nutzer ein solches Angebot wünschen.[14] Ein solches Angebot würde es aber, auch aufgrund der hohen Wechselhürden, die für Nutzer sozialer Netzwerke bestehen würden,[15] nicht geben. Der Wettbewerb könne aufgrund der marktbeherrschenden Stellung von Facebook keine wirksame Kontrollfunktion mehr ausüben, was eine kartellrechtlich relevante Ausbeutung der Nutzer ermöglich.[16] Zugleich gehe hiermit eine Behinderung des Wettbewerbs durch Facebook einher. Denn neue Wettbewerber hätten es auf dem Markt für Online-Werbung ungleich schwerer, da die große Datenmenge Facebook erhebliche Vorteile auf diesem Markt verschaffe.[17]

Fazit

Während die Entscheidung in der Hauptsache noch aussteht, ist im Beschluss des BGH eine klare Nähe zur Position des BKartA ersichtlich. In maßgeblichen Erwägungen ist der BGH dem BKartA gefolgt. Der BGH hat sich leider weniger mit der Frage des Zusammenhangs von Kartellrecht- und Datenschutzrecht auseinandergesetzt, in begrüßenswerter Weise jedoch den wirtschaftlichen Wert von Daten betont. Dementsprechend zufrieden äußerte sich der Präsident des BKartA Andreas Mundt: „Wenn Daten rechtswidrig gesammelt und verwertet werden, muss ein kartellrechtlicher Eingriff möglich sein, um den Missbrauch von Marktmacht zu verhindern.“[18] Für Konkurrenten von Facebook ist die Entscheidung eine gute Nachricht. Sie können in Zukunft mit einer stärkeren, kartellrechtlichen Kontrolle des sozialen Netzwerks rechnen.


[1] BGH, Beschluss vom 23. Juni 2020 (KVR 69/19).

[2] Kartellamt darf Verbot der Erhebung von Nutzerdaten gegen Facebook durchsetzen, beck-aktuell, 23. Juni 2020, zuletzt abgerufen am: 06.07.2020.

[3] BGH, Pressemitteilung Nr. 80/2020, zuletzt abgerufen am: 06.07.2020.

[4] Beck-aktuell, 23.06.2020 (vgl. Fn. 2).

[5] Vgl. Abschnitt 2 der Nutzungsbedingungen von Facebook vom 31. Juli 2019, zuletzt abgerufen am: 06.07.2020.

[6] BKartA, Beschluss vom 6. Februar 2019 (B6-22/16).

[7] BGH, Pressemitteilung Nr. 80/2020 (vgl. Fn. 3).

[8] Baumgart/Berger, Warum sich das Bundeskartellamt für Datenschutz interessiert, lto.de, 22. Juni 2020, zuletzt abgerufen am: 06.07.2020.

[9] Baumgart/Berger, lto.de, 22. Juni 2020 (vgl. Fn. 8).

[10] Baumgart/Berger, lto.de, 22. Juni 2020 (vgl. Fn. 8).

[11] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. August 2019 (VI-Kart 1/19 (V)).

[12] OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. August 2019 (VI-Kart 1/19 (V)) = MMR 2019 742, 745, Rn. 40.

[13] BGH, Pressemitteilung Nr. 80/2020 (vgl. Fn. 3).

[14] BGH, Pressemitteilung Nr. 80/2020 (vgl. Fn. 3).

[15] Der BGH spricht in diesem Zusammenhang von sog. „Lock-in-Effekten“.

[16] BGH, Pressemitteilung Nr. 80/2020 (vgl. Fn. 3).

[17] BGH, Pressemitteilung Nr. 80/2020 (vgl. Fn. 3).

[18] beck-aktuell, 23.06.2020 (vgl. Fn 2).

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