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„Recht auf Vergessenwerden“ – BGH entscheidet über Auslistungsbegehren

Der VI. Zivilsenat des BGH entschied am Montag über zwei Klagen gegen Google, in denen es um das „Recht auf Vergessenwerden“ ging (Az. VI ZR 405/18, Az. VI ZR 476/18).[1] Die beiden Klägerparteien begehrten, dass bestimmte negative Artikel nicht mehr im Zusammenhang ihres Namens in der Trefferliste des Suchmaschinenbetreibers Google angezeigt werden.

Erste Klage scheiterte

Im ersten Verfahren (Az. VI ZR 405) hatte der frühere Geschäftsführer eines Wohlfahrtverbandes geklagt, der eine in finanzielle Schieflage geraten ist.[2] Zuvor hatte sich der Geschäftsführer krankgemeldet. Hierüber hatte eine regionale Zeitung 2011 berichtet und den Kläger auch mit vollem Namen benannt.[3] Der Kläger sah sich in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und verklagte sodann Google und begehrte, dass die kritischen Artikel nicht mehr im Zusammenhang seines Namens erscheinen.[4]

Der BGH entschied, dass im vorliegenden Fall allerdings kein Auslistungsanspruch gem. Art. 17 I DSGVO vorlag. Ein solcher Anspruch erfordert eine umfassende Grundrechtsabwägung aller relevanten Umstände des Einzelfalls.[5] Insbesondere begründete der BGH, dass es gem. der Rechtsprechung des EuGH und des Beschlusses „Recht auf Vergessen II“[6] des BVerfG es nicht nur einer Abwägung der Grundrechte der Betroffenen bedarf, sondern vielmehr sind auch die Interessen der Öffentlichkeit, sowie die der Inhalteanbieter der Links, in die Abwägung mit einzubeziehen.[7] So ist dann nicht lediglich das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu berücksichtigen, sondern insbesondere auch die Meinungsfreiheit, die unternehmerische Freiheit der Inhalteanbieter (Art. 11, 16 GrCh), sowie die Informationsfreiheit der Nutzer.

Die Richter des BGH urteilten, dass die Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit und die unternehmerische Freiheit dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen im Rahmen einer umfassenden Abwägung vorgingen. Trotz Zeitablauf von sieben Jahren, befanden sie insgesamt, dass die Interessen der Öffentlichkeit überwogen, sodass der Name des Klägers weiterhin mit den kritischen Artikeln erscheinen kann.[8]

Mit diesem Urteil befindet sich der BGH auf der Linie des BVerfG und spricht dem Persönlichkeitsrecht keinen pauschalen Vorrang gegenüber anderen Grundrechten zu.[9] Außerdem geht der BGH davon aus, dass aus dem Gebot der gleichberechtigten Abwägung, dass der Verantwortliche einer Suchmaschine nicht erst dann tätig werden muss, wenn dieser von einer offensichtlichen und auf den ersten Blick klar erkennbaren Rechtsverletzung des Betroffenen Kenntnis erlangt.[10]

Vorlage an den EuGH

Das zweite Verfahren (Az. VI ZR 476/18) setzte der Senat allerdings aus und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Die Klage wurde durch ein Paar aus der Finanzdienstleistungsbranche erhoben. Eine amerikanische Webseite hatte in einem Artikel die verschiedenen Anlagenmodelle des Paars kritisch bewertet und Fotos des Paars online gestellt. Die Kläger begehrten sodann von Google die Auslistung der kritischen Artikel im Zusammenhang mit ihren Namen gem. Art 17 I DSGVO.[11]

Der Unterschied zum ersten Verfahren liegt darin, dass der Wahrheitsgehalt des Berichts umstritten ist.[12]

Nun sollen die Richter in Luxemburg darüber entscheiden, ob bei der Prüfung des Wahrheitsgehalts der Tatsachenbehauptungen auch eine einstweilige Verfügung gegen den Inhalteanbieter zur Klärung vorab zulässig wäre. Des weiteren wurde dem EuGH die Frage gestellt, ob das Anzeigen von Vorschaubildern (sog. Thumbnails) erlaubt ist, wenn diese ohne Kontext der Webseite erscheinen.[13]

Beide Entscheidungen des BGH stehen im Lichte der jüngeren Beschlüsse des BVerfG. Im Rahmen des Rechts auf Vergessen kann nicht von vornherein dem Persönlichkeitsrecht Vorrang geboten werden, vielmehr müssen weitere relevante Umstände hinzugezogen werden, sodass das Recht auf Vergessen stets im Einzelfall zu entscheiden ist.[14]


[1] Vgl. Keine Löschpflicht für Google – Informationsrecht schlägt Persönlichkeitsrecht, FAZ.net, 27.07.2020 (zuletzt abgerufen am 29.07.2020).

[2] Vgl. Deppe, „Recht auf Vergessenwerden“- BGH entscheidet über Klagen gegen Google, tagesschau.de, 27.07.2020 (zuletzt abgerufen am 29.07.2020).

[3] Vgl. BGH, Pressemitteilung v. 27.07.2020 (zuletzt abgerufen am 29.07.2020.

[4] Vgl. BGH, Pressemitteilung v. 27.07.2020,

[5] Vgl. BGH, Pressemitteilung v. 27.07.2020.

[6] BVerfG v. 06.11.2019 – 1 BvR 276/17 (Recht auf Vergessen II).

[7] Vgl. Klaas, BGH zum Recht auf Vergessenwerden – Das Persönlichkeitsrecht geht nicht immer vor, lto.de, 27.07.2020 (zuletzt abgerufen am 29.07.2020).

[8] Vgl. BGH, Pressemitteilung v. 27.07.2020.

[9] Vgl. Klaas, BGH zum Recht auf Vergessenwerden – Das Persönlichkeitsrecht geht nicht immer vor, lto.de, 27.07.2020.

[10] Vgl. Pressemitteilung BGH v. 27.07.2020.

[11] Vgl. Hauck, Google und die Wahrheit hinter dem Link, sueddeutsche.de, 27.07.2020 (zuletzt abgerufen am 29.07.2020).

[12] Vgl. Keine Löschpflicht für Google – Informationsrecht schlägt Persönlichkeitsrecht, FAZ.net, 27.07.2020 

[13] Vgl. Hauck, Google und die Wahrheit hinter dem Link, sueddeutsche.de, 27.07.2020.

[14] Vgl. Klaas, BGH zum Recht auf Vergessenwerden – Das Persönlichkeitsrecht geht nicht immer vor, lto.de, 27.07.2020.

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