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Der Online-Hygienepranger #fornet13

Um die Einwohner Bayerns vor Verstößen gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht zu warnen hat das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit eine Seite eingerichtet, auf der diese Verstöße angezeigt und für alle Welt abrufbar sein sollten. Angezeigt wurden die zuständige Behörde, das Produkt, der Betrieb und sogar die Art  des Verstoßes. Diesem Hygienepranger hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) jetzt jedoch auf Grund gravierender  Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität ein Riegel vorgeschoben. Bis auf weiteres dürfen damit zunächst keine Sünder mehr auf der Seite veröffentlicht werden.

Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit berief sich auf §40 Absatz 1a LFGB, nach dem die Behörde die Öffentlichkeit über denjenigen informiert, der das verunreinigte Lebensmittel (welches durch zwei unabhängige Untersuchungen bestätigt werden muss) in den Verkehr gebracht hat. Gegen die Veröffentlichung ging ein Biergartenbetreiber vor, bei dem Mängel festgestellt worden waren und der daraufhin im Internet veröffentlich werden sollte.

Der BayVGH gab letztlich dem Gastronom in seiner Eilentscheidung Recht. Er beanstandet, dass nicht sicher sei, ob § 40 Absatz 1a Nr. 2 LFGB überhaupt mit Art. 10 der Basisverordnung ( EG Nr. 178/2002) vereinbar sei und ob eine Veröffentlichung per Internet nicht generell zu stark in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und die Berufsausübungsfreiheit eingreife, oder gegen das Gebot der hinreichenden Bestimmtheit verstoße, sodass §40 Absatz 1a Nr. 2 LFGB auch nach der deutschen Verfassung rechtswidrig wäre. Die DeHoGa, der bayerische Hotel- und Gaststättenverband hatte schon zuvor gegen die Veröffentlichung gewettert, da diese für sie einen „Tabubruch“ darstelle. Sie sahen einen Verstoß gegen die generelle Unschuldsvermutung gegeben und im Hinblick auf die Erregung die eine solche Einstellung hervorrufe seien Schäden durch zu Unrecht eingestellte Betriebe nicht wieder auszugleichen (Kommentar vom 25.03.2013 unter: http://www.dehoga-bayern.de /presse/newsdetails/article/internetpranger-bayerischer-verwaltungsgerichtshof-bestaetigt-rechtliche-einschaetzung-des-dehogab.html?tx_ttnews[backPid]= 21&cHash=1780cd33cec944f 5635a9c5441b77526).

Art. 10 der Basisverordnung sieht die Information der Öffentlichkeit nur vor, sofern ein hinreichender Verdacht vorliegt, dass ein Lebensmittel ein Gesundheitsrisiko darstellt. § 40 Absatz 1a Nr. 2 LFGB hingegen setzt die Anforderung an die Warnungen der Öffentlichkeit niedriger. Nicht nur bei Gesundheitsrisiken durch Lebensmittel, sondern ebenso wenn gegen ein die Verbraucher schützendes Gesetz verstoßen werde ist die Information der Öffentlichkeit gestattet. Umstritten ist hierbei ob die Basisverordnung nur einen Grundschutz beinhaltet, der von den Mitgliedstaaten noch ausgeweitet werden kann oder ob die Basisverordnung eine abschließende Regelung ist. Je nach Ansicht würde man dazu gelangen, dass der deutsche Gesetzgeber beim Erlass von § 40 Absatz 1a LFGB europarechtskonform oder europarechtswidrig gehandelt hat. Schoch bezeichnet in einem Aufsatz (NVwZ 2012, 1497, 1503) die Auffassung, die in Art. 10 der Basisverordnung (EG Nr. 178/2002) eine abschließende Regelung sieht als herrschende Meinung. Hierzu führt er aus, dass Art. 4 der Basisverordnung es für rechtswidrig erachtet, wenn lediglich bei einem Rechtsverstoß die Verbraucher gewarnt werden. Folgt man dieser Meinung so ist § 40 Absatz 1a LFGB aufgrund des weitergehenden Anwendungsbereichs europarechtswidrig. Schoch selbst vertritt hierzu jedoch eine andere Meinung. Er vertritt die Auffassung, dass Art. 10 der Basisverordnung auf Art. 152 Absatz 4 lit. B EGV gestützt und damit auf das Gesundheitswesen, nicht auf den Verbraucherschutz von Art. 153 EGV. Da Art. 10 der Verordnung sich damit allein auf das Gesundheitswesen bezieht kann im Rahmen des Verbraucherrechts eine weitergehende Regelung getroffen werden, wie es der deutsche Gesetzgeber auch getan hat. Somit wäre § 40 Absatz 1a Nr. 2 LFGB dieser Ansicht folgend europarechtskonform.

Der BayVGH hat jedoch noch weitere mögliche Rechtswidrigkeiten gefunden, wie beispielsweise die Voraussetzung der Verhängung von mindestens 350€ Bußgeld. Diese Vorschrift sei nicht bestimmt genug, da erstens der Betrag äußerst gering erscheint, um einen so grundrechtsintensiven Eingriff zu ermöglichen und zweitens kein verbindlicher Bußgeldkatalog besteht, der der Behörde einen Wegweiser gibt, für welche Übertretung, welches Bußgeld gefordert werden kann. Die Regelung ist damit möglicherweise zu unbestimmt nach Ansicht des BayVGH. Das Gericht rügt außerdem, dass zwar die Veröffentlichung geregelt ist, nicht jedoch die Löschungszeit. Gerade dies wäre jedoch nötig, um den Betroffenen von dem Hygienepranger zu befreien, sobald er alle Mängel beseitigt hat.

Im Hauptsacheverfahren wird der BayVGH nach eigener Aussage zu den komplexen Rechtsfragen eine verbindliche Erklärung abgeben. Wichtig wird dabei dann auch die Frage sein, ob §40 Absatz 1a Nr. 2 LFGB überhaupt mit Art. 10 der Basisverordnung vereinbar ist. Genau diese Frage hatte bereits das Landgericht München im Dezember 2011 dem EUGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Je nachdem welcher Ansicht der EUGH hierbei folgt (s.o. Aufsatz von Schoch) wird § 40 Absatz  1a Nr. 2 LFGB so bestehen können oder müsste vom Gesetzgeber geändert werden.

– Mehr zum Thema eGovernment und weitere, spannende IT-Rechtsthemen gibt es bei unserem Symposium “Social Media als Geschäftsmodell” am 18./19. April 2013 in den Passauer Redoutensälen. http://www.for-net.info/symposium-2013/ —

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