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VGH Mannheim: Urheberrechtliche Gemeinfreiheit von Orientierungssätzen aus Karlsruhe

Die von den Fachdokumentaren des Bundesverfassungsgerichts erstellten Orientierungssätze stellen urheberrechtlich „amtlich verfasste Leitsätze“ dar und unterfallen damit der Gemeinfreiheit. Dies entschied kürzlich der VGH Mannheim (Urteil vom 07.05.2013, Az.: 10 S 281/12).

Er bejahte insoweit die Anwendbarkeit des Informationsweiterverwendungsgesetzes (IWG) und sprach folglich der Klägerin, der Betreiberin einer juristischen Datenbank namens LexXpress, gegenüber dem Bundesverfassungsgericht einen Gleichbehandlungsanspruch auf Zurverfügungstellung seiner aufbereiteten Entscheidungen auf einfachgesetzlicher Ebene aus § 3 Abs. 1 S. 1 IWG zu. Darüber hinaus ließe sich ein Anspruch hierauf unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG herleiten. Denn die vom Bundesverfassungsgericht speziell für die juris GmbH angepassten Entscheidungen samt Orientierungssätzen genössen als gemeinfreie Werke i.S.d. § 5 Abs. 1 UrhG gerade keinen urheberrechtlichen Schutz, nachdem sie teleologischer Auslegung gemäß unter „Entscheidungen“ und „amtlich verfasste Leitsätze“ fielen. Die als zusammenfassender Kurztext und zugleich der Vermittlung von zusätzlichem Orientierungswissen dienenden Orientierungssätze müssten neben den Leitsätzen als gemeinfreie Werke den BürgerInnen erst recht allgemein zugänglich gemacht werden, um das Rechtsverständnis in der Bevölkerung zu fördern. Darüber hinaus bestünden, so der VGH Mannheim, auch keine Zweifel daran, dass die von den hauptamtlich tätigen Dokumentaren des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen ihrer Dienstzeit in den Diensträumen verfassten Orientierungssätze auch „amtlich verfasst“ seien.

Weiterhin stünden der juris GmbH auch keine entgegenstehenden Schutzrechte zu. Denn § 5 UrhG sei auf „amtliche Datenbanken“ entsprechend anwendbar und stehe daher einem Schutz des Datenbankherstellers nach §§ 87a ff. UrhG entgegen. Für eine unterschiedliche Behandlung von urheberrechtlich geschützten und von Leistungsschutzrechten erfassten Datenbankwerken im Hinblick auf die Gemeinfreiheit bestehe laut dem VGH kein ersichtlicher Grund.

Eine „Weiterverwendung“ i.S.d. § 3 Abs. 1 S. 1 IWG liege ebenfalls vor, da die Interaktion zwischen der juris GmbH und dem Bundesverfassungsgericht – entsprechend der Begriffsbestimmung in § 2 Nr. 3 IWG – über die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe „Entscheidungsveröffentlichung“ hinausgehe und auf Erzielung von Entgelt gerichtet sei.

In der Literatur haben sich bereits sowohl zustimmende (Schneider, K&R 2013, 520) als auch ablehnende Stimmen (Koch, jurisPR-ITR 16/2013, Anm. 4) zu Wort gemeldet. Neben grundsätzlichen Zweifeln an der Analogiefähigkeit von § 5 Abs. 1 UrhG auf Datenbanken wurde Kritik insbesondere an der Qualifikation der Orientierungssätze als „amtlich verfasste Leitsätze“ i.S.d. § 5 Abs. 1 UrhG geäußert. Diese würden gerade nicht von den Berichterstattern des jeweiligen Spruchkörpers erstellt und mit deren Zustimmung veröffentlicht, sodass sie als deren persönliche geistige Schöpfung anzusehen seien.

Der VGH Mannheim hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das Verfahren ist aktuell beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.