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Vergütung für Content auf Google und Co.: Verlagsbranche lobbyiert für „australischen Ansatz“

Die traditionellen Verlagshäuser haben es nicht leicht. Die Absatzzahlen im Printbereich gehen stetig zurück, Blogs und soziale Medien schaffen neue Mitbewerber und ein verändertes Konsumverhalten zwingt zum Umdenken.[1] Besonders News-Aggregatoren wie Google oder Facebook stellen ein Problem für Nachrichtenmedien dar, vor allem, wenn die dort genutzten Snippets die Neugier der Nutzerinnen und Nutzer bereits befriedigen – und diese deshalb gar nicht mehr auf die News-Website klicken. Umgekehrt kann ein Listing in Google News auch beispielsweise einer kleineren und/oder unbekannteren Seite viele neue Klicks bescheren. Google gewinnt in jedem Fall, weswegen von Seiten der Verlagsbranche seit Längerem gefordert wird, an dem Erfolg des Suchmaschinenriesen angemessen beteiligt zu werden.[2]

Unter anderem diese Thematik kam jüngst bei einem Treffen eines Axel-Springer-Lobbyisten mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur Sprache.[3] Die Verlagsbranche will den Digital Services Act, der die „zentralen Spielregeln der Digitalwirtschaft neu vermessen“ soll[4], nutzen, um das Leistungsschutzrecht voranzutreiben. Die Basis dafür wurde mit der EU-Urheberrechtsreform zwar geschaffen, doch an der Umsetzung hapert es noch. Momentum erhalten die Bemühungen durch den medienwirksamen Erfolg einer australischen Neuregelung.

Warum Australien als Vorbild?

In Australien wurde Ende Februar ein neues Mediengesetz, der News Media Bargaining Code, vom Parlament beschlossen.[5] Das Gesetz soll sicherstellen, dass Nachrichtenmedien angemessen für die von ihnen generierten Inhalte kompensiert werden und in diesem Zug ausgewogene Verhandlungen zwischen den Parteien stattfinden.[6] Dabei sorgte eine Regelung für besonders großen Ärger bei Google und Co., die diesen die Verhandlung mit den Verlagen aufzwingt.[7] Für den Fall, dass keine Einigung erzielt werden kann, soll eine unabhängige Schlichtungsstelle eingeschaltet werden, die sogar ein rechtlich verbindliches Ergebnis erzwingen kann.[8] Die Regierung bezeichnet den Code als signifikante mikroökonomische Reform, die weltweite Beachtung gefunden habe.[9] Ein vielfältiger und gut ausgestatteter Nachrichtensektor sei von großer Bedeutung für die Demokratie und die Menschen in Australien. Dass der Axel-Springer-Konzern diese Bedeutung auch gerne für sich beansprucht, verwundert angesichts der „Vergütungswelle von Google und Facebook an die Verlage“ infolge des australischen Mediengesetzes nicht.[10]

Internetkonzerne reagierten pikiert

 Im Januar hatte Google deshalb gar gedroht, die Verfügbarkeit der Suchmaschine in Australien einzuschränken bzw. aufzuheben.[11] Zeitweise waren bestimmte Ergebnisse für etwa ein Prozent der Google-Suchmaschinennutzer in Australien nicht mehr sichtbar, laut Google ein „Experiment“, um festzustellen, welche Wirkung Google News und Google Search aufeinander hätten. Ehrlicherweise wird das Experiment auch dazu gedient haben, herauszufinden, wie stark der Konzern dadurch die australische Regierung einschüchtern könnte. Auch Facebook hatte als Reaktion eine unangekündigte Nachrichtensperre verhängt:[12] Links zu Nachrichtenseiten konnten nicht mehr gepostet werden, weder von Einzelpersonen noch von Nachrichtenorganisationen. Selbst das Wetter fiel der umfangreichen Sperraktion zum Opfer.

EU-Urheberrechtsreform: Es hapert an der Umsetzung

Dass für urheberrechtlich relevantes Material eine angemessene Vergütung fällig werden soll, sieht auch die EU-Urheberrechtsrichtlinie[13] vor, die jedoch zunächst nur in Frankreich umgesetzt wurde – worauf Google prompt mit der Entfernung der Snippets reagierte.[14] Auf die – für Nutzerinnen und Nutzer sehr praktischen – Mini-Vorschauen verzichtete der Konzern lieber, als die Verlage für die dargestellten Inhalte zu bezahlen. Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“ hatte der Suchmaschinenbetreiber sogar überlegt, seinerseits die Hunderte Millionen (frei monetarisierbaren) Klicks in Rechnung zu stellen, die die Verleger über Google erhalten haben.[15]

In Frankreich wurde der Urheberrechtsstreit zwischen Google und einigen französischen Presseverlagen im November 2020 dank einer Vereinbarung beendet, die eine „angemessene“ Vergütung für die Presseerzeugnisse vorsieht.[16] Auch hier wurde Google zu der Verhandlung mit Verlagen und Presseagenturen hinsichtlich der Vergütung für das Anzeigen von urheberrechtlich geschützten Medieninhalten, wie sie die EU-Urheberrechtsnovelle von 2019 vorsieht, gezwungen.

Sind GAFA unersetzbar?

Die Verhandlungsposition der Digitalkonzerne scheint schon aufgrund ihrer schieren Größe und Verbreitung nicht angreifbar. Doch in Bezug auf einzelne Produkte lässt sich diese Behauptung nicht zwingend halten: Facebook etwa muss zusehen, wie die Nutzungszeit auf seinem sozialen Netzwerk schwindet und dessen Beliebtheit, gerade unter den jüngeren Nutzerinnen und Nutzern[17], abnimmt.[18] Auch WhatsApp hatte erst kürzlich wegen des Aufruhrs um die geänderten Nutzungsbedingungen mit einer „Massenflucht“ zu kämpfen.

Diese Fälle mögen auf die weltweit mit Abstand führende Suchmaschine Google[19] zwar nicht unmittelbar übertragbar sein. Und doch ist zu bedenken, dass kein Dienst auf Dauer unersetzbar sein dürfte. Gerade vor dem Hintergrund, dass insbesondere in der EU zunehmend Druck auf die Tech-Riesen ausgeübt wird und deren Macht mithilfe diverser Gesetzesvorhaben beschränkt werden soll, bleibt mit Spannung abzuwarten, ob die „Friss oder Stirb“-Mentalität der Konzerne sich langfristig bewähren kann oder ob die Nutzerinnen und Nutzer nicht doch auf Alternativen umsteigen werden, die den Datenschutz und ihre Privatsphäre (etwas) mehr respektieren, tatsächlich Steuern und angemessene Vergütungen für verwendete fremde Inhalte bezahlen und Menschen, die nicht die vordefinierten Merkmale für potenzielle Viralität vorweisen können, nicht marginalisieren.[20]

Fazit

Die Angemessenheit einer Vergütung hängt generell ganz maßgeblich von einem ausgewogenen (Macht-)Verhältnis zwischen den verhandelnden Parteien ab. Solange Google sich den Verhandlungen schlicht entziehen kann oder Presseverlage sich gezwungen sehen, eine Gratis-Lizenz einzuräumen, um nicht in Vergessenheit zu geraten, kann eine faire Einigung nicht erzielt werden. Der „australische Ansatz“, d.h. das Einschalten einer unabhängigen Schlichtungsstelle, kann hier grundsätzlich zu einer gerechteren Lösung beitragen. Inwieweit sich diese Regelung auf Europa übertragen lässt – und vor allem die Umsetzung auch tatsächlich durch die Mitgliedstaaten durchgeführt wird – steht auf einem anderen Blatt.


[1] Vgl. Link, Printmedien und Digitalisierung. Mit Strategie gegen die Zeitungskrise, Deutschlandfunk Kultur, 07.05.2019; Bernau/Hank/von Petersdorff, In eigener Sache, FAZ.Net, 10.08.2014.

[2] Vgl. Krempl, Leistungsschutzrecht: Google weist Milliardenforderungen von Verlegern zurück, Heise Online, 23.04.2019.

[3] Vgl. Fanta, Axel Springer will noch mehr Leistungsschutzrecht, Netzpolitik.org, 03.05.2021, dort auch zum Folgenden.

[4] Ausführlich zum Digital Services Act: Marx, AnwZert ITR 4/2021 Anm. 2.

[5] Vgl. Australian Competition & Consumer Commission, Project Overview.

[6] Vgl. die gemeinsame Pressemitteilung vom 25.02.2021: Parliament passes News Media and Digital Platforms Mandatory Bargaining Code.

[7] Vgl. Fanta, Axel Springer will noch mehr Leistungsschutzrecht, Netzpolitik.org, 03.05.2021.

[8] Vgl. Fanta, Warum Facebook in Australien keine News mehr zeigt, Netzpolitik.org, 18.02.2021.

[9] Gemeinsame Pressemitteilung vom 25.02.2021, Parliament passes News Media and Digital Platforms Mandatory Bargaining Code, dort auch zum Folgenden.

[10] Vgl. Fanta, Axel Springer will noch mehr Leistungsschutzrecht, Netzpolitik.org, 03.05.2021.

[11] Vgl. Google droht Australien mit Abschalten der Suchmaschine, Zeit Online, 22.01.2021, dort auch zum Folgenden.

[12] Vgl. Fanta, Warum Facebook in Australien keine News mehr zeigt, Netzpolitik.org, 18.02.2021, dort auch zum Folgenden.

[13] Richtlinie (EU) 2019/790 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinien 96/9/EG und 2001/29/EG; ausführlich Krempl, Urheberrechtsreform: EU-Parlament winkt Upload-Filter und Leistungsschutzrecht durch, Heise Online, 26.03.2019.

[14] Vgl. Leistungsschutzrecht: Google streicht Snippets statt zu zahlen, Heise Online, 25.09.2019, dort auch zum Folgenden.

[15] Vgl. Krempel, Leistungsschutzrecht: Google weist Milliardenforderungen von Verlegern zurück, Heise Online, 23.04.2019.

[16] Vgl. Google verkündet Einigung mit ersten Presseverlagen in Frankreich, DerStandard.de, 19.11.2020, dort auch zum Folgenden.

[17] Vgl. beispielsweise Milz, Präferenzen junger User: Facebook ist bei Gen Z out, Onlinemarketing.de, 09.07.2019.

[18] Vgl. Fanta, Warum Facebook in Australien keine News mehr zeigt, Netzpolitik.org, 18.02.2021, dort auch zum Folgenden.

[19] Gemessen an den Suchanfragen betrug Googles Marktanteil im Januar 2021 70,42 % (Desktop) bzw. 90,7 % (Mobil). Mit großem Abstand folgt die chinesische Suchmaschine Baidu mit 13,86 % (Desktop) bzw. 6 % (Mobil), was unter anderem auf den maßgeblichen Marktanteil des Unternehmens in seinem Heimatmarkt China zurückzuführen ist, vgl. Statista, Marktanteile der Suchmaschinen weltweit nach mobiler und stationärer Nutzung im Januar 2021.

[20] Siehe hierzu etwa Köver, Zu hässlich für TikTok, Netzpolitik.org, 17.03.2020.

Sämtliche Links wurden zuletzt am 05.05.2021 abgerufen.

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