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Werden nun auch rechtsradikale Inhalte im Internet durch den Staat gesperrt?

In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt äußerte sich Familienministerin von der Leyen wie folgt zu der Frage, warum kinderpornografische -, aber nicht auch rechtsradikale Webseiten gesperrt werden:

„Mir geht es jetzt um den Kampf gegen die ungehinderte Verbreitung von Bildern vergewaltigter Kinder. Doch wir werden weiter Diskussionen führen, wie wir Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenwürde im Internet im richtigen Maß erhalten. Sonst droht das großartige Internet ein rechtsfreier Chaosraum zu werden, in dem man hemmungslos mobben, beleidigen und betrügen kann.“

Bei Internetsperren gegen Kinderpornographie, geregelt im sog. ZugErschwG *, werden Inhalte die gegen § 184 b StGB verstoßen, zunächst in eine Liste beim Bundeskriminalamt eingetragen, vgl. § 1 ZugErschwG. Die Liste wird daraufhin an die Internetprovider verteilt, die durch geeignete technische Maßnahmen den Internetverkehr kontrollieren müssen, so § 2 Abs. 1 ZugErschwG. Es wird also jedes einzelne IP Paket kontrolliert, ob es aus einer auf der Liste genannten Quelle stammt. Ist dies der Fall, dann wird die Anfrage (ein http-request) gem. § 4 ZugErschwG auf eine Stoppmeldung umgeleitet.

Dass in Grundrechte durch dieses Gesetz eingegriffen wird, liegt nahe. Das Gesetz selbst zitiert den Grundrechtseingriff für Art. 10 GG – dem Fernmeldegeheimnis. Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit Art. 5 Abs. 1 und die Berufsfreiheit der Internetprovider. Beide Grundrechte werde jedoch nicht schrankenlos gewährt und eine Einschränkung ist grundsätzlich möglich. Fraglich ist aber, ob durch das Gesetz eine sog. Schranken-Schranke durchbrochen wurde, nämlich dem Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 S. 3. . Nach allgemeiner Auffassung ist die Zensur betrifft die Kontrolle der Inhalte vor der Veröffentlichung. Beim Zugangserschwerungsgesetz wird aber nur der Zugriff gesperrt/erschwert, nachdem das Telemedienangebot veröffentlicht wurde. Demnach sind die sog. Internetsperren auf Grundlage des Zugangserschwerungsgesetzes keine Zensur im juristischen Sinne.

Bedenklich ist aber aus liberaler Sicht die Möglichkeit, dass der Staat in missbräuchlicher Weise durch die Schaffung einer solchen Infrastruktur die öffentliche Meinung binnen weniger Stunden kontrollieren könnte. Verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich des Gesetzgebungsverfahrens, der Gesetzgebungskompetenz, und aus materieller Sicht beklagt der „Arbeitskreis gegen Internet-Sperren und Zensur“ und wendet sich in einem offenem Brief an Bundespräsident Horst Köhler.

Das Thema um Internetsperren ist sehr kontrovers und dafür eignet sich politisch vor allem ein so emotionsbeladenes Thema wie Kinderpornografie. Fast jeder wünscht sich, dass solche Schmuddelseiten und Inhalte weitestgehend unterbunden werden.

Andere Themen wie Rechtsradikalität und Gewaltvideos eignen sich vermutlich nicht in gleicher Weise, besonders nicht während des Wahlkampfes. Und so meldet Frau von der Leyens Ministerium im Anschluss an das oben zitierte Interview, dass die Bundesfamilienministerin „keineswegs eine Ausweitung der Internetsperren oder ein anders geartetes konkretes Vorgehen gegen weitere rechtwidrige Inhalte als Kinderpornografie angekündigt“ habe. „Andere Deutungen sind nicht durch den Wortlaut des Interviews gedeckt.“ Kaum hat die Ministerin zurück gerudert, kritisiert die Opposition diese scharf. So weist die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth die „die Vorschläge für eine größere und umfassendere Überwachung im Internet“ zurück.

Es scheint, dass wir vor der Bundestagswahl von rechtsradikalen Inhalten im Internet durch den Staat zwar durch bereits vorhandene Strafgesetze, nicht aber durch ausgeweitete Internetsperren „geschützt“ werden.

Ein weitergehende und interessante Stellungsnahme zu den Äußerungen der Familienministerin findet sich im LawBlog von Rechtsanwalt Udo Vetter.

*ZugErschwG – offiziell „Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen“

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