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Alte und neue Regulierungsansätze zur Bekämpfung von illegalen Inhalten auf Online-Plattformen

Horst Seehofer und Gérard Collomb, die Innenminister von Deutschland und Frankreich, forderten zuletzt in einem Brief an die EU-Kommission Legislativmaßnahmen zur Bekämpfung von Terrorpropaganda auf Online-Plattformen. Durch eine europäische gesetzliche Regelung soll eine unionsweit einheitliche Vorgehensweise gegen „rechtswidrige terroristische Inhalte“ etabliert werden. So fordern die Innenminister unter anderem eine Löschung solcher Inhalte innerhalb einer Stunde nach deren Veröffentlichung und eine Zusammenarbeit zwischen größeren und kleineren Plattformen, um den kleineren Unternehmen Hilfe zu leisten. Um die Wirksamkeit der Regelungen zu garantieren, sollten auch Sanktionen eingeführt werden. Zwar sollten die gesetzlichen Neuerungen zunächst ausschließlich bei Terrorpropaganda Anwendung finden, allerdings befürworten die Innenminister im Lauf der Zeit eine Erweiterung auf andere illegale Inhalte wie z.B. Kinderpornographie.

Die Kommission hat auf die Vorschläge eher zurückhaltend und vorsichtig reagiert; befürwortet wird von dort zunächst eine weitere Beobachtung und Auswertung der derzeitigen Lage, ob sich hieraus die Notwendigkeit verbindlicher Legislativmaßnahmen ergibt. Damit bestand die Antwort der Kommission im Grunde genommen in der Wiederholung ihres bereits mitgeteilten Standpunktes: So hatte sie schon im März diesen Jahres eine Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung von rechtswidrigen Inhalten auf Online-Plattformen empfohlen, die die Unternehmen aus eigenem Antrieb implementieren könnten. Im Fall des Versagens der freiwilligen Selbstregulierung durch die Unternehmen könne auch der Erlass verbindlicher Rechtsvorschriften angedacht werden. Ebendies sei laut Seehofer und Collomb allerdings schon der Fall, da die derzeitige, auf Freiwilligkeit basierende Situation keine ausreichende Bekämpfung des Problems gewährleiste.

Die von den Ministern angesprochenen, konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorpropaganda fanden im Übrigen auch schon in der Empfehlung der Kommission Erwähnung. So sieht die Empfehlung unter anderem die Unterstützung kleiner Plattformen durch große und ein verbessertes Meldesystem vor. Vor allem die Eine-Stunde-Regel und die damit verbundenen Folgen, die ebenso von der Kommission vorgegeben wurde, wird besonders von Verbänden, Politikern und der Presse kritisiert.

Eine einstündige Frist kann bei sorgfältiger Überprüfung der fraglichen Inhalte durch Menschen unmöglich eingehalten werden, wodurch die Anbieter auf automatisierte Systeme zurückgreifen müssten. Solche Systeme sind aber bekanntermaßen fehleranfällig und könnten beispielsweise eine Dokumentation der Kriegsverbrechen in Syrien fälschlicherweise als Terrorpropaganda einstufen. Es besteht weiterhin die Gefahr des Overblockings, da die Empfehlung der Kommission keinen ausreichenden Schutz für Nutzer vorsieht, deren Inhalte unrechtmäßig gelöscht wurden. Dadurch, dass die Kommission auch eine „proaktive“ Vorgehensweise befürwortet, werden höchstwahrscheinlich Upload-Filter vermehrt eingesetzt. Upload-Filter werden auch im Kontext der Reform des europäischen Urheberrechts diskutiert: Jüngst wurde vom EU-Ministerrat und vom Rechtsausschuss des EU-Parlaments u.a. beschlossen, dass Plattformbetreiber zukünftig faktisch zum Einsatz von Upload-Filtern verpflichtet sind, um nicht von den Rechtsinhabern für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer in Anspruch genommen zu werden. Beide Anwendungsbereiche stellen eine Ausnahme vom Grundsatz des Providerprivilegs dar. Weiterhin wird an dem Regulierungsvorhaben kritisiert, dass hierdurch Aufgaben des Staates von Privaten, nämlich den Anbietern dieser Online-Dienste, wahrgenommen werden – dies insbesondere anhand von intransparenten Algorithmen.

Selbstverständlich bildet das Ziel, die massenhafte Verbreitung von Terrorpropaganda im Internet zu unterbinden, ein wichtiges Anliegen, allerdings sollten auch die skizzierten Gefahren und Risiken, die zum größten Teil denen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) ähneln, berücksichtigt und ernst genommen werden. Noch sind die Ergebnisse der Evaluierung der EU-Kommission und somit auch das weitere Vorgehen nicht bekannt, weswegen die weitere Entwicklung abzuwarten bleibt – dies auch nicht nur mit Blick auf rechtswidrige terroristische Inhalte, sondern etwa auch Urheberrechtsverletzungen und Produktfälschungen, zu denen sich die dargestellte Empfehlung der EU-Kommission und die zugehörigen Regulierungsansätze ebenfalls äußern.

 

Weiterführende Quellen:

http://europa.eu/rapid/press-release_IP-18-1169_de.htm

https://netzpolitik.org/2018/wir-veroeffentlichen-seinen-wunschzettel-seehofer-fordert-von-eu-kommission-massive-internetzensur/

https://www.heise.de/tp/features/Seehofer-und-Collomb-Terroristische-Inhalte-sollen-schneller-aus-dem-Netz-verschwinden-4026373.html

https://netzpolitik.org/2016/warum-die-uploadfilter-der-internetkonzerne-eine-gefahr-fuer-die-meinungsfreiheit-sind/

https://www.eco.de/news/eu-staaten-plaene-fuer-upload-filter-und-leistungsschutzrecht/?pk_campaign=nl-eco-politikdigital-310518

https://www.golem.de/news/internetplattformen-eu-kommission-fordert-proaktive-filterung-von-inhalten-1709-130328.html

 

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