Das Thema Hass im Internet hat in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen. Besonders Nutzer sozialer Netzwerke spüren dies immer stärker. Die Zahl der Opfer u. A. auch von rechtswidrigen, gegen Persönlichkeitsrecht verstoßenden Hasskommentaren, nehmen stetig zu. Dies hat die Gefährdung der Demokratie im Allgemeinen und der individuellen Meinungs- und Informationsfreiheit Einzelner zur Folge. Denn viele Nutzer im Internet ziehen sich aus Angst vor den stetig zunehmenden Hasskommentaren immer mehr zurück und geben ihre Meinung nicht mehr öffentlich im Netz preis.
Ein Instrument gegen eine stärkere Verfolgung von Hass im Netz, wie zum Beispiel Beleidigung, Verleumdung und Bedrohung, ist das Netzwerkdurchsuchungsgesetz (NetzDG).[1]
Wesentlicher Inhalt der ursprünglichen Fassung des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes
Die Erste Fassung des NetzDG von April 2017 beinhaltet, dass soziale Netzwerke strafbare Inhalte nach 24 Stunden löschen, auf Nutzerbeschwerden nach 48 Stunden reagieren und halbjährlich einen Bericht über den Umgang mit Beschwerden veröffentlichen müssen. Die Netzwerke müssen dabei allerdings nicht der Pflicht nachkommen, die rechtswidrigen Inhalte der Strafverfolgung zu melden. Weiterhin hat die Fassung das TMG erweitert, dabei aber im Wesentlichen keine neuen Löschpflichten ergänzt, sondern bereits bestehende des TMG erweitert.[2] Durch die Erweiterung erlaubt § 14 TMG den Netzwerkbetreibern, Bestandsdaten eines Account-Inhabers nach gerichtlichem Beschluss zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche an Betroffene herauszugeben, verpflichtet diese gerade aber nicht dazu. Die Praxis hat gezeigt, dass viele Betreiber sozialer Netzwerke die Daten ohne eine Pflicht nicht herausgeben und nur einen geringen Teil von rechtswidrigen Inhalten auf ihren Plattformen löschen. Der Auskunftsanspruch kann zwar noch durch § 242 BGB geltend gemacht werden, dies würde das ganze Verfahren jedoch in die Länge ziehen und unnötig kompliziert machen. Ob mit oder ohne Ergänzung des § 14 TMG, durch das NetzDG bleibt das Ergebnis also gleich, da die Betreiber mangels einer Pflicht im Regelfall Daten nicht an Betroffene herausgeben.
Folglich müssen Plattformbetreibern strengere Pflichten auferlegt werden, um rechtswidrige Inhalte aus dem Netz zu bekommen und die Rechte der Nutzer zu stärken.[3]
Was hat sich geändert?
Am 1. April 2020 hat das Bundesministerium eine Änderung des NetzDG beschlossen, welche die Rechte der Nutzer von sozialen Netzwerken stärken soll. Diesen soll es nun leichter möglich sein, gegen Beiträge vorzugehen, wenn diese nicht vorher von den jeweiligen sozialen Netzwerken gelöscht wurden.
Nutzern ist es nun durch ein Gegenvorstellungsverfahren möglich, gegen eigen veröffentlichte Beiträge, die gelöscht oder als rechtswidrig gemeldet wurden, vorzugehen. Durch das Verfahren hat der Betroffene zwei Wochen Zeit, die Überprüfung des gelöschten Beitrags zu verlangen. Das Ergebnis der Überprüfung muss vom jeweiligen Netzwerk individuell begründet werden.[4]
Zudem müssen Anbieter sozialer Netzwerke ein leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte anbieten. Denn das Melden von rechtswidrigen Beiträgen hat sich in der Vergangenheit als kompliziert erwiesen. Nutzer mussten Screenshots der rechtswidrigen Beiträge selber kopieren und durch umständliches hin und her klicken an anderer Stelle zur Meldung wieder einfügen. Nun wird das Verfahren in der neuen Fassung konkret durch Ergänzungen wie leichte Bedienbarkeit und Erkennbarkeit des Meldewegs modifiziert. Nutzern soll es so möglich sein, rechtswidrige Inhalte direkt über den Post melden zu können.[5]
Auch soll die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen vereinfacht werden. § 14 TMG wird in dem Zusammenhang so ergänzt, dass der Dienstanbieter gegenüber dem Verletzten zur Auskunft verpflichtet ist und dass das Gericht das mit der Zulässigkeit der Datenherausgabe befasst ist auch die Verpflichtung des sozialen Netzwerkes zur Datenherausgabe anordnen kann.[6] Der Betroffene kann so leichter Auskünfte vom Anbieter des sozialen Netzwerkes über zum Beispiel die Identität des Verfassers der Hassnachricht erlangen.
Durch die neue Fassung werden weiterhin die Informationspflichten über die halbjährlichen Transparenzberichte ergänzt. Die Transparenzberichte müssen öffentlich im Internet zugänglich gemacht und strafbare Inhalte, die durch eine Beschwerde bekannt und gesperrt wurden, dem Bundeskriminalamt gemeldet werden.[7] Über den halbjährlichen Bericht zu dem Umgang mit Beschwerden müssen nun Veränderungen zu vorherigen Berichten erläutert und Angaben zur Anwendung und den Ergebnissen der Gegenvorstellungsverfahren gemacht werden. Auch muss über automatisierte Verfahren berichtet und beschrieben werden, ob und wie die Netzwerke Forschungseinrichtungen Zugang zu anonymisierten Daten zu wissenschaftlichen Zwecken ermöglichen.
Die neue Fassung enthält zudem die Umsetzung von europarechtlichen Vorgaben durch die Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVMD-RL). Sie beinhaltet Compliance-Vorschriften zum Schutz von Videosharing-Plattformdiensten, die teilweise vom NetzDG umfasst sind, aber nun auch Regelungen für kleinere und themenspezifischere Anbieter aufgenommen hat.[8]
Die Folge von Verstößen gegen ein unzulässiges Beschwerdeverfahren kann ein Bußgeld von bis zu 5 Mio. Euro und Verstöße gegen die Berichtpflicht von bis zu 50 Mio. Euro nach sich ziehen.[9]
Kritik
Schon die ursprüngliche Fassung des NetzDG ist auf viel Gegenwind gestoßen und die neue Fassung kann viele bestehenden Probleme nicht lösen. Kernpunkt der Kritik ist der massive Eingriff in Grundrechte wie die Meinungs- und Informationsfreiheit durch „Overblocking“ oder „Chilling Effects“. Die Löschung von oftmals nicht rechtswidrigen Beiträgen folgt daraus, dass durch die äußerst kurzen Löschfristen den sozialen Netzwerken meist die Zeit für eine ausgewogene inhaltliche Prüfung der Beiträge fehlt und sie hohe Bußgelder verhindern wollen. Betroffen durch eine ungerechtfertigte Löschung ist neben dem Verfasser des gelöschten oder gemeldeten Beitrags auch die Gesellschaft insgesamt. Denn durch weitgehende Löschung von Beiträgen wird die Äußerungsfreiheit Vieler eingeschränkt. Das Netz wird dadurch inhaltsärmer und es fehlen ausreichende Informationsquellen, die eine freie Meinungsbildung und -äußerung ermöglichen.[10] Zwar kann durch die neue Fassung gegen eine Löschung oder Meldung vorgegangen werden, dies wird für viele Nutzer aber immer noch zu umständlich erscheinen, um sich die Mühe zu machen, gegen die Löschung vorzugehen.[11] Auch bemängeln Kritiker, dass durch das NetzDG staatliche Aufgaben an internationale Konzerne übertragen werden. Nutzer sozialer Netzwerke sind quasi einer „Zensuraufsichtsbehörde“ unterlegen, die die Beiträge stetig überwacht und Einfluss auf den Verlauf von Diskussionen im Netz nehmen können, was wiederum zu einer weiteren Gefährdung der Freiheit der öffentlichen Kommunikation führt.[12] Auch erscheint durch die neue Fassung noch die Ungleichbehandlung von Videosharing-Plattformen und sozialen Netzwerken problematisch, da für Videosharing-Anbieter das Herkunftsland und für soziale Netzwerke das Zielland gelten soll.[13]
Fazit
Die Weiterentwicklungen des NetzDG ist ein guter Anfang, um gegen Hass im Netz vorzugehen und einige Neuerungen, wie die Verpflichtung der Netzwerk-Betreiber strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt zu melden, scheinen zielführend, um eine schnellere und effizientere Strafverfolgung zu ermöglichen. Jedoch ist die neue Fassung mit bestehendem Recht schwer vereinbar und beeinträchtigt besonders die freie und offene Kommunikation im Netz. Punkte wie zum Beispiel die Löschfristen müssen verbessert werden, denn viele Delikte wie die Beleidigung sind oftmals auslegungsbedürftig und müssen im Einzelfall mit einem höherem als dem vorgegebenen Zeitaufwand zu geprüft werden. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Pläne gegen Hass im Netz weiterentwickelt und inwiefern das NetzDG in Zukunft noch erweitert und modifiziert wird.
[1] Sahl/Bielzer, NetzDG 2.0 – Ein Update für weniger Hass im Netz, ZRP 2020, 2.
[2] Stadler, Medienwandel Kompakt 2017-2019, in Krone (Hrsg.), 2019, S. 274 f.; BMJV, Netzwerkdurchsuchungsgesetz, bmjv.de, 06.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[3] Stadler, Medienwandel Kompakt 2017-2019, in Krone (Hrsg.), 2019, S. 274 f.
[4] BMJV, Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes, bmjv.de, 01.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[5] BMJV, Pressemitteilung vom 01.04.2020, bmjv.de, 01.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[6] BMJV, Weiterentwicklung des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes, bmjv.de, 01.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[7] BMJV, Netzwerkdurchsuchungsgesetz, bmjv.de, 06.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[8] BMJV, Pressemitteilung vom 01.04.2020, bmjv.de, 01.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[9] BMJV, Netzwerkdurchsuchungsgesetz, bmjv.de, 06.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).
[10] Liesching, Die Durchsetzung von Verfassungs- und Europarecht gegen das NetzDG, MMR 2018, 28.
[11] Guggenberger: Das Netzwerkdurchsuchungsgesetz – schön gedacht, schlecht gemacht, ZPR 2017, 98.
[12] Adelberg, Rechtspflichten und -grenzen der Betreiber sozialer Netzwerke, 2019, S. 3.
[13] Bundesregierung beschließt Änderung des NetzDG – „Bedrohung im Netz einfach und unkompliziert melden“, lto.de, 01.04.2020 (zuletzt abgerufen am 19.04.2020).