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Online-Glücksspiel soll liberalisiert werden

Seit Jahren ringen die Regierungen der 16 Bundesländer um eine Neuregelung des Glücksspiels in Deutschland. Der Boom des bisher illegalen Online-Glückspiels macht eine Reform des das Glückspiel maßgeblich regelnden Glücksspielstaatsvertrages (GlüStV) notwendig. Der wachsende Markt hat dazu geführt, dass sich schon mehrfach Gerichte mit dem Online-Glückspiel in Deutschland beschäftigen mussten.[1] Regelmäßig entstehen Streitigkeiten um die Vergabe einzelner Konzessionen. Immer wieder äußerten die klagenden Spieleanbieter zudem Zweifel an der unionsrechtlichen Vereinbarkeit des GlüStV. Nun haben sich die Länder auf eine Novellierung des GlüStV geeinigt, wobei Details noch ausgearbeitet werden müssen.[2]

 

Die bisherigen Regelungen

Zur deutschlandweiten Regulierung des Glücksspiels schlossen die Länder 2008 einen ersten GlüStV, um das staatliche Monopol auf Lotterien und Sportwetten aufrechtzuerhalten. [3] Das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet war nach § 4 Abs. 4 des GlüStV von 2008 ausnahmslos verboten. Nachdem der EuGH im Jahre 2010 die Unionsrechtswidrigkeit des deutschen Glücksspielmonopols gerügt hatte[4], einigten sich die Länder auf Änderungen im GlüStV, wodurch 2012 eine reformierte Version des GlüStV in Kraft treten konnte. Dessen Geltungsdauer ist jedoch nach § 35 Abs. 2 S. 1 GlüStV bis zum 30. Juni 2021 befristet. Bis 2021 muss also eine neue Regelung gefunden werden, auch um zu verhindern, dass die schon jetzt unübersichtliche und uneinheitliche Rechtslage in den verschiedenen Bundesländern sich weiter verschärft.

 

Sonderweg Schleswig-Holsteins

Im Gegensatz zum Rest des Landes hat man in Schleswig-Holstein bereits Erfahrungen mit Online-Glücksspiel gesammelt. Schleswig-Holstein trat dem neuen GlüStV 2012 zunächst nicht bei. Stattdessen wurde eine Öffnung des Marktes für Online-Glücksspiele betrieben, in deren Zuge auch erstmals Lizenzen für Anbieter von Poker- und Casinospielen im Internet vergeben wurden.[5] Mitspielen durften theoretisch zwar nur Personen, die ihren Wohnsitz auch in Schleswig-Holstein hatten. Beachtet wurde dies in der Praxis aber nicht.[6] Die Erfahrungen, die man in Folge der Liberalisierung des Glücksspielwesens in Schleswig-Holstein sammelte, fielen eher ernüchternd aus. So kam es weder zu erhöhten Staatseinahmen aus dem wachsenden Glücksspielmarkt, noch siedelten Anbieter von Online-Glücksspielen in den Norden Deutschlands um.[7] Dennoch scheinen die anderen 15 Bundesländer nun den Argumenten zu folgen, die auch die Befürworter in Schleswig-Holstein stets angeführt hatten: Durch eine Legalisierung könne dem illegalen Markt für Glückspiel der Boden entzogen und gleichzeitig ein effektiverer Verbraucherschutz erreicht werden.[8]

 

Geplante Neuregelungen

Mit dem neuen GlüStV soll nun das Online-Glücksspiel in ganz Deutschland legal ermöglicht werden. Kernpunkt dieser Reform ist die Abkehr vom bisherigen, strengen Verbot für Online-Glücksspiele, vgl. § 4 Abs. 4 GlüStV-E.[9] Künftig sollen virtuelle Automatenspiele (§ 22a GlüStV-E) und Online-Poker (§ 22b GlüStV-E) legal möglich sein. Auch das Werbeverbot für Glücksspiel soll gelockert werden, vgl. § 5 GlüStV-E. Diese Lockerungen sollen von strengen Regeln zum Spielerschutz flankiert werden.[10] Glücksspielanbieter sollen verpflichtet werden, für jeden Spieler ein Spielkonto einzurichten, auf dass dieser nur 1.000 Euro einzahlen kann, vgl. § 6c GlüStV-E. Zudem sollen in einer Sperrdatei Spielerinnen und Spieler erfasst werden, die sich selbst haben sperren lassen oder von einem Anbieter gesperrt wurden. Eine neue zentrale Glücksspielbehörde der Länder soll Jugend- und Spielerschutz gewährleisten und das Entstehen von Wettsucht verhindern.[11] Veranstalter von Online-Casinospielen, Online-Poker und virtuellen Automatenspielen im Internet sollen zudem verpflichtet werden, ein auf Algorithmen basierendes automatisiertes System zur Früherkennung von glücksspielsuchtgefährdeten Spielerinnen und Spielern einzurichten, vgl. § 6i GlüStV-E.

Die Reaktionen auf die geplanten Reformen fielen gemischt aus. Branchenvertreter wie der Präsident des Deutschen Online-Casinoverbands Dirk Quermann sprachen mit Blick auf die Reformen von einem überfälligen Schritt.[12] Hingegen hält der Leiter der Fachstelle Glücksspielsucht bei der Drogenhilfe Köln, Wolfgang Kursawe, die Pläne für naiv.[13] Spieler könnten weitere Konten unter falschen Namen bei verschiedenen Anbietern einrichten und so die Einzahlgrenze von 1.000 Euro pro Monat umgehen. Dieses Problem haben die Länder jedoch erkannt und in § 6h GlüStV‑E adressiert. Zur Verhinderung von Missbrauch soll eine zentrale Datei bei der Glücksspielbehörde eingerichtet werden, in der die Glücksspielbetreiber die Spieler mit ihren Daten vor Spielbeginn zu melden haben. Wird einem Anbieter mitgeteilt, dass ein Spieler bereits von einem anderen Anbieter als aktiv gemeldet wurde, muss der Anbieter dem Spieler die Teilnahme am Glücksspiel verweigern, vgl. § 6h Abs. 3 GlüStV-E. Die Richtigkeit der Angaben zu überprüfen ist jedoch Aufgabe der Spieleanbieter, vgl. § 6a Abs. 2 GlüStV-E. Zu einer effektiven Durchsetzung des Umgehungsverbots sind die Behörden also auf die Anbieter angewiesen.

 

Rechtsprechung erhält Verbote aufrecht

Ungeachtet der geplanten Novellierung des GlüStV setzt die Rechtsprechung das bisher geltende Verbot für Online-Glücksspiele konsequent durch. So hat jüngst das VG Düsseldorf die gegenüber einer Glücksspielanbieterin aus Malta ausgesprochene Untersagung der Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels im Internet aufrechterhalten.[14] Auch das OVG Schleswig hatte Online-Glücksspiele durch ausländische Anbieter in einem Beschluss vom letzten Sommer noch untersagt.[15] Die Richter sahen in den geltenden Regelungen weder einen Verstoß gegen das unionsrechtliche Diskriminierungsverbot, noch folgten sie der Argumentation, die geltenden Regelungen seien im Anbetracht der künftig geplanten Liberalisierungen ungeeignet.[16] Damit befinden sich die Gerichte auf einer Rechtsprechungslinie mit dem BVerwG.[17] Bis zum Inkrafttreten des neuen GlüStV ist damit nicht mehr mit einer Trendwende in der Rechtsprechung zu rechnen.

 

Fazit

Die Legalisierung des Glücksspiels im Internet ist, trotz der berechtigten Bedenken, ein begrüßenswerter Schritt. Schätzungsweise verdienen die Anbieter illegaler Online-Casinos zusammengenommen zwei Milliarden Euro im Jahr.[18] Diesen boomenden Markt zu regulieren ist ein sinnvolles Anliegen, soweit dies mit effektiver Suchtprävention verbunden wird. Problematisch bleiben weiterhin Fragen zur unionsrechtlichen Vereinbarkeit der staatlichen Monopole und der Beschränkung des Marktes für Glücksspielanbieter aus dem Ausland.[19] Diese Probleme werden durch die Novellierung des GlüStV nicht gelöst. Auch nach dessen Inkrafttreten werden sich die Gerichte daher sicherlich in vielfältiger Weise mit Glücksspiel im Internet beschäftigen dürfen.

 

 

 


[1] Z.B.: BVerwG Urteil vom 26. Oktober 2017 (8 C 18/16); OVG Lüneburg Beschluss vom 17. August 2016 (11 ME 61/16).

[2] Holtermann, Länder wollen Online-Glücksspiele erlauben, Handelsblatt, 22. Januar 2020, zuletzt abgerufen am 23.04.2020.

[3] Vgl. MMR-Aktuell 2020, 425862.

[4] EuGH Urteil vom 8.09.2010 (C-316/07).

[5] Kulms, Online-Zocken wird überall legal, Deutschlandfunk Kultur, 5. März 2020, zuletzt abgerufen am 23.04.2020.

[6] Kulms, Deutschlandfunk Kultur, 5. März 2020, (vgl. Fn. 5).

[7] Kulms, Deutschlandfunk Kultur, 5. März 2020, (vgl. Fn. 5).

[8] Kulms, Deutschlandfunk Kultur, 5. März 2020, (vgl. Fn. 5).

[9] Entwurf abrufbar unter: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMV17-3157.pdf, zuletzt abgerufen am 23.04.2020.

[10] Steinlechner, Länder wollen Online-Glücksspiele erlauben, golem.de, 22. Januar 2020, zuletzt abgerufen am 23.04.2020.

[11] Eberl, Online-Zocken – erlaubt aber überwacht, tagesschau.de, 22. Januar 2020, zuletzt abgerufen am 23.04.2020.

[12] Vgl. Holtermann, Handelsblatt, 22. Januar 2020 (vgl. Fn. 2)

[13] Vgl. Eberl, tagesschau.de, 22. Januar 2020 (vgl. Fn. 10).

[14] VG Düsseldorf Beschluss vom 9. April 2020 (3 L 2847/19).

[15] OVG Schleswig Beschluss vom 3. August 2019 (4 MB 14/19).

[16] OVG Schleswig Beschluss vom 3. August 2019 (4 MB 14/19), Rn. 33.

[17] Vgl. BVerwG Urteil vom 26. Oktober 2017 (8 C 18/16).

[18] Willmroth, Bundesländer einigen sich auf Reform des Online-Glücksspiels, Süddeutsche Zeitung, 22, Januar 2020, zuletzt abgerufen am 23.04.2020. 

[19] Dazu: Wittig/Hagenbruch, Internetglückspiel am Scheideweg: Das Urteil des BVerwG, EuZW 2018, 631. 

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