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Digitalisierung im deutschen Mittelstand: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen?

Das Buzzword Industrie 4.0 beschreibt die durch das Internet und die Digitalisierung vorangetriebene „vierte industrielle Revolution“.[1] Geprägt wurde der Begriff im Rahmen eines Zukunftsprojekts der Bundesregierung, um die Bedeutung des Internets und der Vernetzung hervorzuheben, die – ähnlich wie zuvor die Wasserkraft und Dampfmaschine, die Massenfertigung und elektrische Energie sowie zuletzt die Automatisierung durch den Einsatz von Elektronik und „einfacher“ IT[2] – sowohl Fertigungs- als auch andere Geschäftsprozesse revolutioniert und transformiert. Ein Aspekt ist dabei die Entwicklung und zunehmende Nutzung von künstlicher Intelligenz und Robotik. Die deutsche produzierende Industrie liegt zwar mit 855 Industrierobotern je 10.000 Mitarbeiter weit vor vielen europäischen Nachbarn und den USA.[3] Im weltweiten Durchschnitt kommen auf 10.000 Mitarbeiter gar nur 113 Industrieroboter. Vom Spitzenreiter Singapur ist sie jedoch weit entfernt. Betrachtet man die verschiedenen Branchen, führt die Automobilindustrie mit über 900.000 Robotern im Jahr 2019, insgesamt wurden 2019 im produzierenden Gewerbe mehr als 2,7 Millionen Industrieroboter gezählt.[4] Prognosen zufolge soll der weltweite Umsatz mit Industrierobotern bis 2025 auf über 18 Mrd. US-Dollar steigen.[5]

Und auch abseits der produzierenden Industrie kann von der Digitalisierung profitiert werden. Ob Buchhaltung, Marketing oder Kundenbetreuung: unterschiedliche digitale Lösungen haben das Potenzial, Zeit und Ressourcen einzusparen, die an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden können. Der Strukturwandel hin zu mehr Vernetzung wirft dabei nicht zuletzt die Frage nach der IT-Sicherheit auf. Klar ist: digitale Strukturen sind in einem völlig anderen Ausmaß und auf ganz anderen Wegen angreifbar als klassische Prozesse. Das Beispiel Datenleaks – ob aufgrund interner Fehler oder durch Angriffe von außen – ist nur eines von vielen. Je sensibler der Einsatzbereich, desto schwerwiegender können sich auch die Folgen unzureichend abgesicherter Systeme auswirken.

Auch das Thema (Teilzeit-)Home-Office als neue Lebenswirklichkeit Vieler wird zunehmend an Bedeutung gewinnen, und das nicht ausschließlich im Kontext der Corona-Pandemie (auch, wenn diese dem Konzept Remote Work einen erheblichen Anschub verpasst hat).  Voraussetzung dafür ist eine vernünftige Digitalisierungsstrategie und ein IT-Sicherheitskonzept, das die Sicherheit von Geschäftsgeheimnissen, internen Dokumenten, Steuerungssystemen und auch personenbezogenen Daten gewährleistet. Zudem muss natürlich die Art der Tätigkeit ein ortsunabhängiges Arbeiten überhaupt erlauben, wobei auch hier bestehende Strukturen zu überdenken sind. Auch, wenn verschiedene Arbeitsplätze von Maschinen „übernommen“ werden können, wie es beispielsweise durch die eingangs erwähnten Industrieroboter oder Kassenautomaten im Supermarkt bereits geschieht, so entstehen dafür neue Aufgabenbereiche, die (noch) nicht automatisiert werden können. Aufgeschlossenheit und Flexibilität sind dabei der Schlüssel zum Erfolg. Der Mensch fungiert hier immer weniger als klassische Arbeitskraft, sondern zunehmend als Erfahrungsträger und Entscheider.[6]

Insgesamt ist festzustellen: Die digitale Transformation bietet viele Chancen, wartet aber auch mit zahlreichen Herausforderungen auf. Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen stellt sich oft die berechtigte Frage, wo für eine erfolgreiche Umstrukturierung hin zu mehr Digitalisierung anzusetzen ist. Dass es KMU im Vergleich zu großen Konzernen schwerer haben, die nötigen Ressourcen aufzubringen und in puncto Know-How mitzuhalten, liegt vielleicht in der Natur der Sache. Dem Digital Economy and Society Index (DESI) der Europäischen Kommission zufolge liegt Deutschland hinsichtlich seiner digitalen Wettbewerbsfähigkeit auf Platz 12 (von 28).[7] Doch die rasante Entwicklung lässt sich weder aufhalten noch ignorieren. Disruptive Veränderungen sind dabei nicht immer erforderlich und in vielen Fällen auch gar nicht sinnvoll, aber Unternehmen müssen ihre individuellen Möglichkeiten ausloten und konkrete Optimierungsansätze ausarbeiten. Dass damit auch unternehmerische Risiken und teils hohe Investitionen verbunden sind, die vielleicht – noch – nicht zwingend nötig erscheinen, sollte kein Hindernis darstellen. Wichtig ist, mit kleinen, aber stetigen Schritten zu beginnen, Synergien zu nutzen und den langfristigen Horizont im Auge zu behalten; aller Anfang ist schwer. Nicht nur im Vergleich mit internationalen Wettbewerbern, die das Konzept Industrie 4.0 bereitwillig annehmen und vielleicht in der Umsetzung aktuell einen Vorsprung zu haben scheinen, wird die Zukunft entscheiden, ob der deutsche Mittelstand seine Rolle erhalten und stärken kann. Ansätze und Umfang der Veränderungen mögen je nach Branche oder Geschäftsmodell variieren. Eines ist aber gewiss: Ganz ohne Digitalisierung wird es nicht gehen.


[1] Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Themenseite zum Projekt Industrie 4.0.

[2] Vgl. Deppe, Geschichte der Arbeit – Arbeit 4.0, Planet-Wissen.de, Stand 07.05.2020.

[3] Vgl. IFR, Anzahl der Roboter in der produzierenden Industrie nach ausgewählten Ländern weltweit im Jahr 2019 (pro 10.000 Mitarbeiter), September 2020, in: Statista, Dossier „Industrieroboter weltweit“, 2020, S. 23, dort auch zum Folgenden.

[4] Vgl. IFR, Bestand von Industrierobotern weltweit nach Branchen in den Jahren 2018 und 2019, September 2020, in: Statista, Dossier „Industrieroboter weltweit“, 2020, S. 21, S. 50.

[5] Vgl. Tractica, Umsatz mit Industrierobotern weltweit in den Jahren von 2018 bis 2025 (in Milliarden US-Dollar), Oktober 2019, in: Statista, Dossier „Industrieroboter weltweit“, 2020, S. 2.

[6] Deppe, Geschichte der Arbeit – Arbeit 4.0, Planet-Wissen.de, Stand 07.05.2020.

[7] Europäische Kommission, The Digital Economy and Society Index (DESI) 2020; vgl. auch Deutscher Mittelstands-Bund (DMB), Mittelstand in der Forschung: Studien zur Digitalisierung von KMU, 28.10.2019.

Sämtliche Links wurden zuletzt am 20.01.2021 abgerufen.

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