Allgemein

Modernisierung des Patentrechts: Reaktionen sind gemischt

Das Patentrecht ist eine komplexe Materie. Während auf der einen Seite selbstverständlich die Interessen der Inhaber von Patenten zu schützen sind, wird es auf der anderen Seite immer schwieriger, die Schutzrechte vollständig im Blick zu haben.[1] Besonders heikel ist die Lage in der Automobilindustrie: Im Zuge der zunehmenden Vernetzung werden oft Komponenten verbaut, in denen hunderte Patente stecken können. Die Produktion kann durch den Inhaber eines Patents an dem kleinsten Bauteil zum Erliegen gebracht werden. Besonders sogenannten „Patenttrolle“, die mithilfe von aufgekauften Patenten Hersteller verklagen oder entsprechende Drohkulissen aufbauen, soll laut Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ein Riegel vorgeschoben werden.

Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs muss verhältnismäßig sein

Klarstellungsbedarf gibt es dabei besonders im Hinblick auf den Unterlassungsanspruch bei Verletzungen von. Unter gewissen Umständen würde die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Verletzer mit Blick auf die Gebote von Treu und Glauben eine durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte darstellen.[2] Mit der Frage, ob der Anspruch durch das zusätzliche Erfordernis der Verhältnismäßigkeit in Ausnahmefällen eingeschränkt werden kann, beschäftigte sich der BGH schon 2016[3]. Doch diese Möglichkeit werde von den Gerichten nur sehr zurückhaltend genutzt, weswegen eine eindeutige gesetzliche Grundlage für die Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich sei, die nun mit dem Zweiten Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts[4] geschaffen werden soll. Ob der patentrechtliche Unterlassungsanspruch schon de lege lata bei Unverhältnismäßigkeit eingeschränkt werden kann oder ob de lege ferenda ein Unverhältnismäßigkeitsvorbehalt in § 139 Abs. 1 PatG aufgenommen werden soll, wird schon seit einiger Zeit kontrovers diskutiert.[5]

Kritikpunkte

Der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz hörte zu dem Gesetzesentwurf am Mittwoch, den 24. Februar 2021 Sachverständige an.[6] Prof. Dr. Ansgar Ohly sah zwar die Möglichkeit des Verhältnismäßigkeitsvorbehalts ohnehin als gegeben an[7], begrüßt aber gleichwohl die Aufnahme eines solchen „Sicherheitsventils“ in das PatG.[8] Dr. Kurt-Christian Scheel (Verband der Automobilindustrie (VDA)) sieht die Verhältnismäßigkeitsprüfung zwar positiv, sieht die aktuelle Fassung (die gegenüber dem vorherigen Referentenentwurf abgeschwächt wurde) als nicht ausreichend an, um das in der Gesetzesbegründung genannte Ziel zu erreichen – Innovationen sollen nicht automatisch durch Patentrecht gebremst werden, auch wenn ein starkes Patentrecht wichtig sei. Auch Mary-Rose McGuire, Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Recht des Geistigen Eigentums sowie deutsches und europäisches Zivilprozessrecht an der Universität Osnabrück, hält die abgeschwächte Version für fragwürdig. „Patenttrolle“ könnten nach wie vor ihre formale Rechtsstellung ausnutzen und redlichen Verletzern ohne Not wirtschaftlichen Schaden zufügen. Alissa Zeller, Vorsitzende des Fachausschusses Gewerbliche Schutzrechte beim Verband der Chemischen Industrie (VCI), lehnt den Verhältnismäßigkeitsvorbehalt ab: Die geplante Neuregelung in der jetzigen Fassung sei innovationsfeindlich.

Weniger Bürokratie und schnellere Rechtsdurchsetzung

Zudem sollten die Verfahrensabläufe beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) optimiert werden, unter anderem um den bürokratischen Aufwand auf Seiten der Anwender zu senken. Dieser Aspekt betrifft auch die Anpassung des deutschen Markenrechts an die Vorgaben des Madrider Abkommens über die internationale Registrierung von Marken: Markeninhaber sollen ihre Marken in mehreren Ländern schützen lassen können, ohne dafür eigens in jedem Land eine Anmeldung einreichen zu können.

Fazit

Die geplanten Änderungen mögen nicht alle Beteiligten zufriedenstellen, die Sachverständigenanhörung konnte die bestehenden Streitlager nicht vereinen und das parlamentarische Verfahren nicht unbedingt vereinfachen.[9] Doch ein Anfang ist gemacht, es bleibt abzuwarten, wie sich die Neuregelungen in der Praxis auswirken und ob die „Patenttrolle“ dadurch in der Tat wirksam bekämpft werden können.


[1] Vgl. Anger, Justizministerin Lambrecht startet Kampf gegen „Patenttrolle“, Handelsblatt Online, 16.01.2020, dort auch zum Folgenden.

[2] Vgl. Anger, Justizministerin Lambrecht startet Kampf gegen „Patenttrolle“, Handelsblatt Online, 16.01.2020.

[3] BGH, Urt. v. 10.05.2016 – X ZR 114/13

[4] Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, 13.01.2021, BT-Drs. 19/25821.

[5] Ohly, GRUR 2021, 304, 304.

[6] Vgl. Modernisierung des Patentrechts unter Experten umstritten, 24.02.2021.

[7] Vgl. Ohly, GRUR 2021, 304, 305.

[8] Vgl. Modernisierung des Patentrechts unter Experten umstritten, 24.02.2021, dort auch zum Folgenden.

[9] Vgl. auch Anger, Zankapfel Unterlassungsanspruch: Werden die Rechte der Patentinhaber eingeschränkt?, Handelsblatt Online, 24.02.2021.

Sämtliche Links wurden zuletzt am 25.02.2021 abgerufen.