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Microtargeting auf Facebook – eine Bedrohung für die Demokratie?

Im letzten Wahlkampf gab es von einem CDU-Politiker namens Jens Spahn zwei Anzeigen auf Facebook. In einem Post schrieb er „Sichere Außengrenzen für ein sicheres Europa. Seht ihr das genauso?“ und in dem anderen Post teilte er ein Bild von einer internationalen und vielfältigen Gruppe mit der Botschaft „Deutschland ist großartig“. Wie es überhaupt möglich war, zwei solch gegensätzlichen Botschaften zu posten, ohne dass den meisten Nutzern diese Widersprüchlichkeit auffiel – vor  allem auf einer so großen Plattform wie Facebook – lässt sich ganz leicht mit der sogenannten Microtargeting- und Dark Post-Funktion auf Facebook beantworten. Die flüchtlingskritische Anzeige konnten nur AfD-Sympathisanten sehen, während die weltoffene Botschaft an Großstadtmenschen gerichtet war. Beide Anzeigen waren Dark Posts, folglich konnte man sie zwar in seinen Neuigkeiten sehen, falls man zu einer dieser Zielgruppen gehört, allerdings waren sie nicht Teil der Chronik von Jens Spahns Facebook-Seite.

Selbstverständlich kann es für Politiker oder politische Parteien durchaus vorteilhaft und effektiv sein, ihre politischen Botschaften für besonders ausgewählte Zielgruppen maßzuschneidern. Dies bildet jedoch im Grunde nichts Neues, was erst mit der Technik von heute gekommen ist. Auch in vordigitalen Zeiten hatten politische Parteien bereits besondere Herangehensweisen für besondere Zielgruppen. Allerdings geschah dies bislang noch nicht in so einem immensen Rahmen wie heute: Facebook hat nämlich Zugang zu sämtlichen Daten über seine Nutzer, wie beispielsweise welche Posts und Seiten man liket, auf welchen Drittseiten man im Internet unterwegs ist und welchen Personen des öffentlichen Lebens man folgt. Somit hat das Unternehmen auch Zugang zu gewissen – teils besonders sensiblen – Informationen über seine Nutzer, von Alter und Einkommen bis hin zu ihren Haltungen z.B. zu Feminismus oder Homosexualität oder auch über ihre religiösen Einstellungen. Diese Daten stehen damit auch den auf Facebook aktiven Unternehmen oder Parteien zur Verfügung und ermöglicht ihnen, bestimmte Menschengruppen anhand dieser von Facebook bereitgestellten Kriterien auszuwählen oder auszuschließen. Dabei ist dieses Vorgehen aus datenschutzrechtlicher Sicht als höchst fragwürdig einzustufen. Denn die Nutzer wissen unter anderem hierbei häufig nicht, wie ihre Informationen verwendet werden und besitzen dahingehend auch keine Opt-Out-Möglichkeit. So ist und war diese Thematik bereits in zahlreichen europäischen Ländern wie Frankreich, Deutschland, Belgien und Spanien Gegenstand diverser Gerichtsverfahren. Fraglich ist darüber hinaus, welche Implikationen das Microtargeting für eine demokratische Gesellschaft haben könnte.

Im extremsten Fall bekommt der Nutzer nur noch Wahlwerbung, die in sein Weltbild passt. Dadurch kommt er – zumindest innerhalb des sozialen Netzwerks – auch nur mit denjenigen Menschen in Kontakt, die derselben Meinung sind als er. Mithin wird der Nutzer nicht unbedingt mit gegensätzlichen Meinungen oder Sichten konfrontiert, kann sich auch nicht (mehr) effektiv austauschen und muss zudem seine Meinungen nicht hinterfragen. Diese zunehmende Fragmentierung der Gesellschaft hat zur Konsequenz, dass ein effektiver politischer Diskurs, welcher integralen Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft bildet, unterbleibt.

Ein weiteres Problem, das mit der Anwendung von Microtargeting und Dark Posts in Wahlkämpfen auftaucht, ist, dass Politiker wie beispielsweise Jens Spahn frei von jeglichen Konsequenzen unterschiedlichen Wählergruppen widersprüchliche Versprechen oder Statements mitteilen können. Dass es somit an Transparenz fehlt, da man noch nicht einmal wissen kann, in welchem Umfang solche Dark Posts unterwegs waren und was für einen Inhalt sie hatten, liegt auf der Hand.

Wie schon erwähnt sind diese Funktionen natürlich sehr praktisch für die Parteien, allerdings ist es bedauerlich, dass sie die Gesellschaft noch mehr zersplittern, vor allem in Zeiten, in denen produktive Debatten angebracht sind. Insbesondere wenn man die anstehenden Wahlen in den nächsten Jahren im Auge behält, wird die Dringlichkeit einer Lösung oder Aufklärung umso mehr deutlich.

 

Weiterführende Quellen:

 

  1. https://netzpolitik.org/2017/wahlkampf-in-der-grauzone-die-parteien-das-microtargeting-und-die-transparenz/
  2. http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-09/datenschutz-facebook-spanien-strafe-datensammeln
  3. https://de.ryte.com/wiki/Dark_Post
  4. http://www.ardmediathek.de/tv/Reportage-Dokumentation/Infokrieg-im-Netz/Das-Erste/Video?bcastId=799280&documentId=44858138

 

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