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Das Urheberrecht in geschlossenen Facebook-Gruppen

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„Kann diese Kartoffel mehr Fans als Menowin Fröhlich haben???“ und „Wir schicken Peter Zwegat nach Griechenland“ sind wohl skurrile Beispiele für Gruppen, die Nutzer auf Facebook gegründet haben. Das soziale Netzwerk unterteilt diese Gruppen nach drei Privatsphäre-Einstellungen. Die Inhalte öffentlicher Gruppen etwa sind für alle Internetnutzer einsehbar, während Inhalte von geschlossenen und geheimen Gruppen nur von den aktuellen Mitgliedern gesehen werden können. Im Gegensatz zu geheimen Gruppen kann aber jeder Facebook-User eine geschlossene Gruppe finden und versuchen dieser beizutreten. In einer Entscheidung vom 31.01.2018 (AZ: 37 O 17964/17) hat sich das LG München I mit der Frage beschäftigt, ob ein urheberrechtlich geschütztes Werk, das in einer geschlossenen Facebook-Gruppe   geteilt wird, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Hintergrund dieser Frage ist der § 19a UrhG, denn dieser bestimmt unter anderem, dass das Recht der Zugänglichmachung eines Werks im Internet dem Urheber zusteht. Im Folgenden soll das Urteil des LG Münchens angesichts seiner möglichen Relevanz für die ca. 31 Millionen aktiven deutschen Facebook Nutzer (Stand: September 2017) kurz dargestellt werden.

Sachverhalt

Geklagt hatten die Kuratoren der Ausstellung „Mythos Hi“ des Bayrischen Armeemuseums Ingolstadt im Wege des Eilverfahrens gegen die Administratorin einer Facebook-Gruppe mit dem Namen „Hi.“. Die Verfügungsbeklagte hatte am 15.11.2017 die Ausstellung „Mythos Hi“ besucht und an demselben Tag einhundertzehn Fotos, die sie von der Ausstellung und den dazugehörigen Texten, Schautafeln und Grafiken gemacht hatte, in die geschlossene Facebook-Gruppe „Hi.“ gepostet. Diese Gruppe umfasste zum Zeitpunkt des Urteils des LG Münchens etwa 390 Mitglieder. Den Zugang zur Gruppe hatte die Verfügungsbeklagte als Administratorin allen Interessierten gestattet, auch ohne mit diesen bekannt zu sein. Bereits vor der Veröffentlichung der Fotos durch die Verfügungsbeklagte hatte die Presse, mit Genehmigung der Kuratoren, einzelne Bilder von der Ausstellung veröffentlicht.  Nachdem der Verfügungskläger die Fotos in der Facebook-Gruppe bemerkt hatte, forderte er die Beklagte zur Löschung auf und wendete sich später an Facebook, das die Bilder am 24.11.2017 löschte.  Die Verfügungsbeklagte erklärte daraufhin in der fraglichen Facebook-Gruppe, für das Recht „diese Fotos immer und überall jedermann zugänglich zu machen dürfen“ kämpfen zu wollen, worauf der Prozessvertreter der Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte abmahnte und sie zu einer Unterlassungserklärung aufforderte, die sie jedoch nicht abgab.  Das Kuratorium beantragte daher beim LG München eine einstweilige Verfügung, die es der Verfügungsbeklagten untersagt, die von ihr gemachten Fotos der Ausstellung zu veröffentlichen.

Rechtsauffassung des LG Münchens

Das Gericht erwog einen entsprechenden auf Unterlassen gerichteten Verfügungsanspruch aus §§ 97 Abs. 1 S. 1, 19a, 23 S. 14 Abs. 1 UrhG.

1 Urheberrecht des Verfügungsklägers

Voraussetzung für das Bestehen dieses Verfügungsanspruchs ist zunächst, dass es sich bei der Ausstellung „Mythos Hi“ um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handelt.  Hierzu führte das Gericht aus, dass es sich bei der Ausstellung um ein Sammelwerk nach § 4 Abs. 1 UrhG handle, denn die Ausstellung sei keine zufällige Ansammlung zusammengetragener Objekte. Vielmehr ergebe sich aufgrund der geschickten Art der Präsentation ein „einheitliches, einprägsames ästhetisches Gesamtbild“. Die Auswahl der Elemente sei daher eine persönliche geistige Schöpfung. Auch hielt es das Gericht für unerheblich, dass bereits Fotos in der Presse veröffentlicht worden waren. An dem Sammelwerk stehe dem Verfügungskläger folglich zumindest ein Miturheberrecht zu. Offen ließ das Gericht hingegen, ob die Ausstellung auch ein Werk der bildenden Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) darstellt, oder ob einzelne Bestandteile der Ausstellung urheberrechtlich geschützt sind.

2 öffentliche Zugänglichmachung

Anschließend hatte das Gericht zu klären, ob das Posten der Bilder in die Facebock-Gruppe „Hi.“ eine öffentliche Zugänglichmachung einer (fotografischen) Umgestaltung (§ 23 UrhG) der Ausstellung im Sinne des § 19a UrhG darstellte. Das LG München führt hierzu aus, dass sich der Begriff der Öffentlichkeit aus § 15 Abs. 3 UrhG ergebe. Entscheidend sei daher, ob die Zugänglichmachung des Werks für eine Mehrzahl der Mitglieder der Öffentlichkeit bestimmt ist. Hier argumentierte das Gericht, dass ein Öffentlichmachen nicht vorliege, wenn „der Kreis der Personen bestimmt abgegrenzt ist und diese entweder untereinander oder durch denjenigen, der das Werk verwertet, persönlich verbunden sind“. Dies sei im vorliegenden Fall aber nicht gegeben, da der Verfügungskläger glaubhaft gemacht habe, dass auch der Verfügungsbeklagten gänzlich unbekannte Personen Mitglieder der Facebook-Gruppe waren. Daher habe die Verfügungsbeklagte das Werk öffentlich zugänglich gemacht.

3 Eingriff in das Recht des Verfügungsklägers

Das Gericht stellte ferner fest, dass sich der Schutz eines Sammelwerks (§ 4 Abs. 1 UrhG) aus der eigenschöpferischen Auswahl und Anordnung der Elemente ergebe. Nachdem die Fotografien der Verfügungsbeklagten die Ausstellung fast vollständig abbildeten, enthielten sie auch diejenigen Strukturen der Auslese und Anordnung der Stoffe, welche die Sammlung als persönliche Schöpfung ausweisen und würden daher das Urheberrecht am Sammelwerk verletzen.

4 Verfügungsgrund

Nachdem die Verfügungsklägerin auf ihrem Recht beharrte, die Bilder „immer und überall jedermann zugänglich zu machen“ und eine Unterlassungserklärung verweigerte, nahm auch das Gericht an, dass ein ausreichender Verfügungsgrund (§§ 935, 940 ZPO) vorliege.

Die Entscheidung des LG München

Das LG schloss sich damit der Rechtsauffassung des Verfügungsklägers an und untersagte der Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Zwangsgelds i.H.v. 250.000 Euro oder Ordnungshaft Fotografien der Ausstellung „Mythos Hi.“ öffentlich zugänglich zu machen oder zugänglich machen zu lassen.

Stellungnahme

Anwendbar ist diese Entscheidung wohl neben den klassischen sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter auch auf Chatprogramme wie WhatsApp oder Telegramm. Angesichts der hohen Alltagsrelevanz dieser Technik sollten Nutzer die Entscheidung des LG Münchens im Hinterkopf behalten und beim Posten typischerweise urheberrechtlich geschützter Werke überlegen, wie vielen Internetnutzern der gepostete Inhalt zugänglich gemacht wird und wie eng die persönliche Beziehung mit diesen Nutzern ist. Nicht gleichzusetzen ist die Entscheidung aber mit einem Verbot des Postens von Inhalten, da nicht alle Inhalte urheberrechtlich geschützt sind und das LG München auch annimmt, dass geschlossene Gruppen mit einem abgrenzbaren Personenkreis und einer Beziehung zwischen den Mitgliedern keine Öffentlichkeit darstellen, sodass keine Veröffentlichung des Werks vorliegt. Die Grenzen hierfür bleiben nach der Entscheidung des LG Münchens jedoch weiterhin unklar. Das OLG Koblenz hat 1986 eine persönliche Beziehung bei einer Gruppe von über sechzig Personen jedenfalls verneint (AZ: 6 U 606/83). Eine Gruppe mit einhundert Mitgliedern dürfte daher als Öffentlichkeit anzusehen sein.  Bei unter zwanzig Mitgliedern sollte hingegen in der Regel keine Öffentlichkeit im Sinne des § 19a UrhG vorliegen.

 

 

Quellen:

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