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Legal Robots – Das Ende der Anwaltschaft?

Erst vor zwei Wochen hat die Bundesregierung erste Eckpunkte einer Strategie für den Einsatz künstlicher Intelligenz vorgestellt – ein weiteres Beispiel für den immer schneller voranschreitenden digitalen Wandel. Ebenso wenig wie dieser vor der Bundesregierung Halt macht, bleibt auch die juristische Praxis – allen voran die Anwaltschaft – vom digitalen Fortschritt bewahrt.

Insbesondere scheint sich ein Wandel in der anwaltlichen Beratungspraxis abzuzeichnen – weg von der unmittelbaren persönlichen Rechtsberatung, hin zur digitalen Beratung mittels sogenannter Legal Robots. Legal Robots sind IT-Systeme, die selbstständig rechtliche Beurteilungen vornehmen und entsprechende Dokumente erstellen können.

Abgesehen von den für die Anwaltschaft möglicherweise existenziellen Auswirkungen, die ein fortschreitender Ersatz seiner rechtlichen Dienstleistung durch die eines Legal Robots mit sich bringen könnte, stellt sich die Frage, ob das Angebot von Rechtsrat mittels Legal Robots nach derzeitiger Rechtslage überhaupt rechtmäßig ist.

Das Hauptkriterium bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Angebots von Rechtsrat mittels Legal Robots bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 RDG i.V.m. § 3 RDG.

Danach erfordert die selbstständige Erbringung einer außergerichtlichen Rechtsdienstleistung einer gesetzlichen Erlaubnis.

Es stellt sich also die Frage, ob Rechtsrat mittels Legal Robots überhaupt eine Rechtsdienstleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 RDG darstellt.

Gem. § 2 Abs. 1 RDG liegt eine Rechtsdienstleistung vor, wenn eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten erbracht wird, die sich in der rechtlichen Prüfung eines Sachverhalts (und entsprechender Beratung)  äußert.

Der Anwendungsbereich des RDG umfasst mangels gegenteiliger Angaben im Wortlaut der Regelungen grundsätzlich auch die Erbringung von Rechtsdienstleistungen mittels Software.

Auch der Begriff der „Tätigkeit“ gem. § 2 Abs. 1 RDG schließt angesichts seiner sehr weiten Auslegung rechtsdienstleistende Tätigkeiten technologischer Art nicht aus – im Gegenteil: Es wird vielmehr der Ersatz einzelner rechtsdienstleistenden Tätigkeiten durch neue Technologien ermöglicht.

Problematisch im Kontext von Legal Robots erscheint allerdings das Merkmal der konkreten Angelegenheit bzw. des Einzelfalls. Die Tätigkeit muss sich also auf einen realen und tatsächlich existenten Sachverhalt beziehen. Vor allem in Bezug auf automatische Vertragsgeneratoren muss bei der Beurteilung, ob Legal Robots dieses Kriterium erfüllen, nochmals zwischen der Programmierung und der Nutzung eines solchen Generators unterschieden werden. Während die abstrakte Programmierung sich nicht auf einen Einzelfall bezieht (siehe hierzu auch LG Bielefeld, Urteil vom 12.12.2017 – 15 O 67/17), ist dieses Kriterium vor allem hinsichtlich der Nutzung der Software strittig. Einerseits wird die Ansicht vertreten, Software fehle es aufgrund der oftmals mit ihr einhergehenden Nutzeranonymität grundsätzlich an der entsprechenden Konkretisierung auf den Einzelfall. Dem kann allerdings entgegengehalten werden, dass Ratsuchende bei der Eingabe der für rechtlichen Beistand notwenigen Informationen oftmals nicht anonym bleiben und – selbst, wenn das der Fall ist – Anonymität eine hinreichende Konkretisierung auf den Einzelfall nicht zwingend ausschließt. Man kann nämlich in Frage stellen, ob die Kenntnis der Identität des Ratsuchenden für eine Beurteilung der sachverhaltsrelevanten, rechtlichen Gegebenheiten notwendig ist.

Hauptstreitpunkt bei der Einordnung von Legal Robots unter § 2 Abs. 1 RDG ist jedoch das Erfordernis einer rechtlichen Prüfung, also einer konkreten juristischen Subsumptionsleistung – oder anders ausgedrückt, einer Einordnung des Lebenssachverhalts in den Kontext rechtlicher Normen.

Liegt eine solche Subsumptionsleistung vor, so fällt eine entsprechende Dienstleistung unter den Rechtsdienstleistungsbegriff gem. § 2 Abs. 1 RDG.

Einer Ansicht nach fallen lediglich schematisch-binäre Auswertungsmuster, die streng nach „Wenn-Dann“-Regeln berechenbare Ergebnisse ermitteln, nicht unter eine solche Subsumptionsleistung. Die Gegenansicht vertritt jedoch, dass logisch zwingende Ergebnisse nicht automatisch dazu führen, dass den Auswertungsprozessen ihre Subsumptionseigenschaft aberkannt wird. Auch kann argumentiert werden, dass bereits bei Erstellung eines entsprechenden Fragenkatalogs, der, sobald er von einem Laien ausgefüllt wurde, zu einem bestimmen rechtlichen Ergebnis führt, die Subsumptionsleistung erbracht wurde. Insgesamt kommt es wohl weniger auf die Art der rechtlichen Prüfung an, sondern vielmehr auf die Erwartung des Ratsuchenden. Sofern es für die Angelegenheit des Ratsuchenden einer rechtlichen Prüfung bedarf, die über eine rein schematische Einordnung hinausgeht (regelmäßig wird dies beispielsweise bei der Anfertigung von Vertragsentwürfen der Fall sein), ist eine Subsumptionsleistung bzw. eine rechtliche Prüfung zwingend erforderlich. Entsprechender Rechtsrat würde damit unter § 2 Abs. 1 RDG fallen.

Sofern daher diese Legal Robots nicht von Anwälten betrieben werden, unterliegen sie derzeit also noch dem Verbot der Erbringung unqualifizierter Rechtsdienstleistungen gem. § 2 Abs. 1 i.V.m § 3 RDG.

Grund für diese innovationshemmende, aber zugleich auch den Ratsuchenden schützende, Regelung ist insbesondere die Begrenzung der Möglichkeiten rechtlicher Prüfung durch Computer. Dennoch gab es bereits Anfang 2017 circa 60 Legal-Tech-Angebote in Deutschland. Mit Blick auf den immer rasanteren technischen Fortschritt durch Quantencomputer und KI sowie der damit eingehenden zunehmenden Komplexität technischer Auswertungsprozesse wird es spannend zu beobachten sein, wie sich die Bewertung von Legal Robots im Sinne des RDG – womöglich in Form der Anerkennung als einer von der anwaltlichen Beratungspraxis separaten Beratungsmöglichkeit? – weiter entwickeln wird.

 

Quellen:

  • Degen/Krahmer: Legal Tech: Erbringt ein Generator für Vertragstexte eine Rechtsdienstleistung?, GRUR-Prax, 2016, 363.
  • Kilian, NJW, 2017, 3043 ff.
  • Redaktion beck-aktuell, DAV: „Legal Tech“ revolutioniert anwaltliche Beratung, beck-aktuell, 26.05.2017
  • Stöcker, KI-Pläne der Bundesregierung – Hören wir da ein Echo?, http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/kuenstliche-intelligenz-angela-merkels-loebliche-vorsaetze-a-1219351.html, zuletzt aufgerufen am 30.07.2018.
  • Wagner, Legal Tech und Legal Robots in Unternehmen und den diese beratenden Kanzleien – Teil 1, BB, 2017, 898 ff.
  • Wagner, Legal Tech und Legal Robots in Unternehmen und den diese beratenden Kanzleien – Teil 2, BB, 2018, 1097 ff.
  • Wagner, Legal Tech und Legal Robots, 2018, S. 31, 45.
  • Wettlaufer, Vertragsgestaltung, Legal Techs und das Anwaltsmonopol, MMR, 2018, 55 ff.

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