AllgemeinDatenschutz

BGH legt EuGH Fragen zur Klagebefugnis unter der DSGVO vor

Mit Beschluss vom 28.05 hat der BGH[1] dem EuGH verschiedene Fragen zur Auslegung der DSGVO vorgelegt. Damit wird die in der Rechtsprechung und Literatur kontrovers geführte Diskussion, ob Datenschutzverstöße nach Inkrafttreten der DSGVO auch über Verfahren des Wettbewerbsrechts geltend gemacht werden können,[2] einer verbindlichen Klärung zugeführt. Konkret betrifft das Vorabentscheidungsersuchen die Frage, ob Art. 80 Abs. 1, 2 DSGVO und Art. 84 Abs. 1 DSGVO nationalen Regelungen entgegenstehen, die nach dem nationalen Recht berechtigten Einrichtungen die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen und ohne Auftrag einer betroffenen Person gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.[3]

 

Bisheriger Prozessverlauf

Im Ausgang geht das Verfahren auf einen seit Jahren andauernden Streit zwischen dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Facebook über die Rechtmäßigkeit des sog. App-Zentrums von Facebook zurück. Die Verbraucherzentralen bemängelten 2012 die Präsentation des App-Zentrums als unlauter, da die Voraussetzungen an die gesetzlichen Anforderungen an die Einholung einer wirksamen datenschutzrechtlichen Einwilligung der Nutzer, missachtet würden.[4] Insbesondere sei die Darstellung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 TMG und § 4a Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. unvereinbar. Diese verletzten Datenschutzregelungen würden wiederum Marktverhaltensregelungen i.S.v. § 3a UWG darstellen, zu deren Geltendmachung die Verbraucherschutzverbände befugt wären.[5]

In den ersten beiden Instanzen konnten sich die Verbraucherzentralen gegenüber Facebook durchsetzen.[6] Hinsichtlich der Frage nach der Befugnis von Verbraucherschutzverbänden zur wettbewerbsrechtlichen Verfolgung von Datenschutzverstößen bestanden für das in zweiter Instanz zuständige Kammergericht keine ernsthaften Zweifel.[7] Die Entscheidungen waren jedoch zur alten Rechtslage, vor Inkrafttreten der DSGVO am 25.05.2018, ergangen. Der zuletzt angerufene BGH hatte das Verfahren zunächst durch Beschluss vom 11. April 2019[8] nach § 148 ZPO ausgesetzt, um die Entscheidung des EuGH zu einem Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf[9] abzuwarten. Denn das OLG Düsseldorf hatte dem EuGH bereits die Frage vorgelegt ob die Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG) es zulasse, dass auch gemeinnützige Verbände gegen Datenschutzverstöße vorgehen könnten. Der EuGH bejahte dies zwar in seiner Entscheidung vom 29.07.2019,[10] ließ aber anders als vom BGH erhofft die Frage offen, inwiefern diese Rechtslage auch nach dem Inkrafttreten der DSGVO gelte. Dementsprechend hat der BGH nun selbst dem EuGH die Frage vorgelegt, ob insbesondere auch Verbraucherschutzzentralen berechtigt sind, unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte einzelner betroffener Personen wegen Verstößen gegen die DSGVO zu klagen.

 

Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung

Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die neben der nach der Aktivlegitimation von Verbraucherschutzverbänden ebenfalls stark umstrittene Frage, ob die Vorschriften der DSGVO marktverhaltensregelnde Vorschriften i.S.d. UWG darstellen können.[11] Jedoch kann mit Vorsicht aus dem Umstand, dass der BGH den EuGH zur Frage der Anwendbarkeit der Rechtsdurchsetzungsinstrumente des Wettbewerbsrechts neben der DSGVO angerufenen hat, der Umkehrschluss gezogen werden, dass der BGH anscheinend prinzipiell vom Vorliegen einer nach § 8 Abs. 1 UWG sanktionierbaren unzulässigen geschäftlichen Handlung ausgeht.

Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen stützt seine Aktivlegitimation darauf, dass er als qualifizierte Einrichtung nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG zur Geltendmachung von Abwehransprüchen gegen unzulässige, wettbewerbswidrige Verhaltensweisen befugt sei. Es bestehen jedoch substantiierte Zweifel, ob neben der DSGVO Raum für die Anwendung der Rechtsdurchsetzungsinstrumente des Wettbewerbsrechts bleibt.

Die DSGVO enthält bereits umfangreiche Regelungen zur Rechtsdurchsetzung. So dürfen grundsätzlich nach Art. 80 Abs. 1 DSGVO Personen, deren Datenschutzrechte verletzt wurden, eine Einrichtung, deren satzungsmäßiges Ziel im Schutz personenbezogener Daten liegt, beauftragen, gewisse Rechte wahrzunehmen, sofern dies im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen ist. Überdies können die Mitgliedstaaten nach Art. 80 Abs. 2 DSGVO vorsehen, dass Einrichtungen i.S.v. Art. 80 Abs.  1 DSGVO bestimmte Rechte unabhängig von einem Auftrag der betroffenen Person geltend machen können, wenn es zu einer Rechtsverletzung gekommen ist. Eine solche Regelung könnte zwar in § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG gesehen werden, jedoch galt das UWG in dieser Form schon vor Inkrafttreten der DSGVO. Der deutsche Gesetzgeber hat bisher noch nicht von der Kompetenz nach Art. 80 Abs. 2 DSGVO Gebrauch gemacht.[12] Zum Teil wird daher, mit Verweis auf den Vollharmonisierungscharakter der DSGVO, angenommen, die Durchsetzungsmöglichkeiten durch Verbände seien in der DSGVO abschließend geregelt worden, weswegen ein Rückgriff auf Befugnisse aus dem Wettbewerbsrecht unzulässig sei.[13] Weiter wird gegen eine Aktivlegitimation nach dem UWG angeführt, dass die einschlägigen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften keinerlei Datenschutzbezug aufweisen.[14]  

Insbesondere die Rechtsprechung scheint jedoch zu einer anderen Auffassung zu tendieren. Nach einer verbreiteten Ansicht betreffe Art. 80 Abs. 2 DSGVO zwar Verbandsklagen, ohne dabei aber eine generell abschließende Regelung zur Rechtsdurchsetzung zu treffen.[15] Im Ergebnis besteht Einigkeit über die Möglichkeit der Anwendung von § 8 UWG neben der DSGVO, auch wenn dieses Ergebnis auf verschiedenen Wegen erreicht wird. So befürwortet Uebele eine unionsrechtskonforme Auslegung von § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG, nach der es sich bei einer qualifizierten Einrichtung i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG um einen Datenschutzverband nach Art. 80 Abs. 2 DSGVO handeln muss, was bei den Verbraucherschutzzentralen wiederum der Fall sein soll.[16] Nach anderer Auffassung folgt die Anwendbarkeit aus der grundsätzlichen Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu effektiven Durchsetzung des Unionsrechts.[17]

 

Fazit

Das Facebook mit der Gestaltung des App-Zentrums in der Version von 2012 gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen hat, ist aus Sicht des Vorsitzenden Richters des I. Zivilsenats am BGH, Thomas Koch, relativ eindeutig.[18] Die Bedeutung des Falls hat jedoch mit dem Vorabentscheidungsersuchen des BGH eine neue Dimension gewonnen. Denn die Frage, ob Datenschutzverstöße über die von der DSGVO vorgesehen Instrumenten hinaus auf andere Weise geltend gemacht werden können, wird sich unmittelbar auf das Datenschutzniveau in der gesamten Union auswirken. Sollte der EuGH die Aktivlegitimation von Verbraucherzentralen verneinen, könnte zumindest in Deutschland die effektive Durchsetzung der DSGVO gefährdet sein.  Der lebhaft geführte Streit verdeutlicht, dass es vorliegend keine klaren Antworten gibt. Die Antwort des EuGH kann daher nur mit Spannung abgewartet werden.

 

 

 


[1] Vorabentscheidungsersuchen des BGH vom 28.05.2020 (I ZR 186/17).

[2] Vgl. bereits: Sonnenberg, for..net Blog v. 14.05.2020.

[3] BGH, Pressemitteilung Nr. 066/2020, zuletzt abgerufen am: 16.06.2020.

[4] BGH, Pressemitteilung Nr. 066/2020 (2).

[5] Mitteilung des BGH, zuletzt abgerufen am: 16.06.2020.

[6] Vgl. LG Berlin, Urteil vom 28.10.2014 (16 O 60/13); KG Urteil vom 22.09.2017 (5 U 155/14).

[7] KG Berlin, Urteil vom 22.09.2017 (5 U 155/14), Rn. 47.

[8] BGH, Beschluss vom 11.04.2019 (I ZR 186/17).

[9] Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf vom 19.01.2017 (I-20 U 40/16).

[10] EuGH, Urteil vom 29.07.2019 (C-40/17).

[11] Vgl. hierzu: Ohly, UWG-Rechtsschutz bei Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung, GRUR 2019, 686, 690.

[12] Moos/Schefzig, in: Taeger/Gabel, DSGVO BDSG, Art. 80 DS-GVO, Rn. 23.

[13] Werkmeister, in: Gola, DS-GVO, Art. 80, Rn. 17.

[14] Spittka, Können Verbraucherschützer wegen DS-GVO Verstößen klagen?, GRUR-Prax, 2019, 272, 274.

[15] Wolff, UWG und DS-GVO: Zwei Separate Kreise, in: ZD 2018, 248, 252; OLG Hamburg, Urt. v. 25.10.2018 (3 U 66/17), Rn. 56.

[16] Uebele, Datenschutz vor Zivilgerichten, in: GRUR 2019, 694, 697.

[17] OLG Stuttgart Urteil vom 27.02.2020 (2 U 257/19), Rn. 43.

[18] Lorenz, Wer darf wegen Datenschutzverstößen klagen?, lto.de v. 28.05.2020, zuletzt abgerufen am: 16.06.2020.

 

 

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