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BGH entscheidet zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung

Am 28.05.2020 entschied der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) über die Frage, welche Anforderungen an die Speicherung von Cookies auf dem Endgerät des Nutzers zu stellen sind und machte maßgebliche Ausführungen zur Zulässigkeit einer Einwilligung in den Erhalt von Werbung.[1] Das Urteil ist insbesondere deshalb als Meilenstein hinsichtlich der datenschutzkonformen Ausgestaltung von Einwilligungserklärungen in das Setzen von Cookies anzusehen, da es nach der 2009 novellierten Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (sog. „Cookie-Richtlinie“) bislang an einer entsprechenden Gesetzesaktualisierung durch die Bundesregierung und die Große Koalition fehlte und nun der zulässige Rechtsrahmen für die zulässige Erteilung von Einwilligungen gerichtlich definiert wurde .[2]

 

Hintergrund

Die deutsche Planet49 GmbH veranstaltete im Jahr 2013 auf ihrer Internetseite ein Gewinnspiel zu Werbezwecken. Dabei enthielt die Anmeldeseite ein Kästchen, welches bereits mit einem Häkchen versehen war. Der Nutzer konnte dieses entfernen, sofern er nicht in das Setzen von Cookies auf seinem Computer zustimmen wollte.[3] Der Deutsche Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) verklagte die Planet49 GmbH daraufhin auf Unterlassung, da er die Ansicht vertrat, dass das Setzen von Cookies nur mit aktiver Einwilligung des Nutzers zulässig sei. Er berief sich dabei auf die „Cookie-Richtlinie“ aus dem Jahr 2009. Nach dieser Richtlinie sei die Speicherung von Informationen auf dem Endgerät eines Nutzers nur gestattet, sofern dieser seine ausdrückliche Einwilligung gegeben habe (sog. „Opt-In“). Eine Ausnahme gelte nur für essentielle Cookies, ohne die die Webseite nicht funktionierte.[4] Damit mahnte der VZBV auch den Gesetzgeber mit der Begründung an, dass dieser eine angemessene Anpassung des TMG an die Richtlinie verfehlt habe, da er diese nicht ins nationale Recht umgesetzt habe.[5]

Die Planet 49 GmbH hingegen stützte sich auf das deutschen Telemediengesetz (TMG). Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 TMG ließe sich durchaus so verstehen, dass das Setzen von Cookies zwecks Profilbildung zulässig sei, solange der Betroffene nicht widersprochen habe (sog. „Opt-Out“).[6] Er argumentierte zudem, dass eine Richtlinie nicht unmittelbar anwendbar und die Zulässigkeit der Widerspruchslösung mit voreingekreuztem Kästchen eine bewusste Entscheidung des deutschen Gesetzgebers gewesen sei.[7]

Weiterhin hatte die Planet49 GmbH versucht, eine wirksame Einwilligung der Gewinnspielteilnehmer in den Erhalt von Werbung seiner Sponsoren und Kooperationspartner per Telefon, SMS, Post oder E-Mail einzuholen. Hierfür wurde auf dem generischen Einwilligungstext eine Liste von insgesamt 57 Unternehmen verlinkt. Die Teilnehmer sollten diejenigen Unternehmen auszuwählen, von denen sie Werbung erhalten wollten. Sofern keine Auswahl erfolgte, wollte Planet49 die Unternehmen anstelle der Teilnehmer auswählen.[8]

 

Bisheriger Prozessverlauf

Zunächst wurde die Planet49 GmbH durch das Landgericht Frankfurt am Main zur Unterlassung und Zahlung der Abmahnkosten verurteilt. Die Beklagte legte daraufhin Berufung ein und hatte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in Bezug auf den Antrag auf Unterlassung der weiteren Verwendung der mit einem voreingestellten Ankreuzfeld versehenen Einwilligungserklärung zur Nutzung von Cookies Erfolg. Daraufhin legten beide Parteien Revision ein.[9]

Das Verfahren wurde vom BGH mit Beschluss vom 5. Oktober 2017 ausgesetzt. Der BGH wandte sich mit folgenden Vorlagefragen hinsichtlich der Wirksamkeit einer Einwilligung mit voreingestellten Ankreuzkästchen in das Setzen von Cookies an den EuGH: 

 

1a. Handelt es sich um eine wirksame Einwilligung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58 (e-Privacy-Richtlinie), wenn die Speicherung von Informationen oder der Zugriff auf Informationen, die bereits im Endgerät des Nutzers gespeichert sind, durch ein voreingestelltes Ankreuzkästchen erlaubt wird, das der Nutzer zur Verweigerung seiner Einwilligung abwählen muss?

 

1b. Macht es einen Unterschied, ob Cookies personenbezogene Daten enthalten?

 

1c. Liegt eine wirksame Einwilligung im Sinne der DS-GVO vor, wenn wie in Frage 1a mit einem voreingestellten Ankreuzkästchen gearbeitet wird?

 

2. Welche Informationen hat der Diensteanbieter dem Nutzer zu erteilen?[10]

 

Der EuGH beantwortete diese Fragen in seinem Urteil vom 1. Oktober 2019 und führte an, dass die Cookie-Richtlinie in Deutschland nicht korrekt umgesetzt worden sei.[11] Die Cookie-Richtlinie verlange eine aktive Einwilligung des Betroffenen. Ein Opt-Out-Modell wie im TMG formuliert sei demnach nicht ausreichend.[12] Damit stellt sich der EuGH zugleich gegen eine ältere, noch vor Geltung der Datenschutz-Grundverordnung ergangene Rechtsprechung in Deutschland, der zufolge auch solche Gestaltungen wirksame Einwilligungen darstellen konnten.[13]

 

Entscheidung des BGH

Der BGH orientierte sich in seinem Urteil vom 28. Mai 2020 erwartungsgemäß an den Ausführungen des EuGH.

Er wies nun die Revision der Beklagten zurück und hob das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts auf. Damit wurde die erstinstanzliche Verurteilung der Planet49 GmbH wiederhergestellt.[14]

Der BGH führte ins seiner Entscheidung an, dass § 15 Abs. 3 TMG zwar weiterhin gelte und  auch nicht von der DSGVO verdrängt werde.[15] Dafür sei Art. 95 DSGVO entscheidend, der insoweit das Zusammenspiel zwischen DSGVO und § 15 Abs. 3 TMG regle.[16] Jedoch legte der BGH § 15 Abs. 3 TMG richtlinienkonform aus und deutete das im § 15 Abs. 3 TMG geregelte Opt-Out (Widerspruch) in ein Opt-In (Einwilligung) um.[17]

Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Einwilligung mit angehängter Liste von Werbepartnern entschied der BGH, dass dieses Vorgehen die Anforderungen an eine informierte Einwilligung nicht erfüllte, da eine solche voraussetzt, dass die Teilnehmer wissen, worin sie einwilligen, und ihnen bekannt ist, welche Produkte und Dienstleistungen von ihrer Einwilligung erfasst sind.[18] Gemäß dem BGH konnten diese Anforderungen nicht bereits dadurch erfüllt werden, dass den Nutzern exzessive Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung standen. Diese würden sie vielmehr dazu veranlassen, die ihnen vorgelegten Informationen nicht zu Kenntnis zu nehmen und keine Entscheidung zu treffen.[19] Wenn ein Nutzer in einer solchen Situation keine Auswahl getroffen habe, könne sich Planet49 nicht auch nicht auf eine wirksame Einwilligung berufen, da diese in diesen Fällen weder informiert noch aktiv getroffen worden sei.[20]

 

Ausblick

Dass der deutsche „Sonderweg“ bei Cookie-Bannern auf Dauer nicht haltbar sein würde, ließ sich wohl bereits seit einigen Jahren vermuten, da Deutschland die europäische Cookie-Richtlinie aus dem Jahr 2009 nie ins nationale Recht umsetzte.

Nun steht endgültig fest, dass sich die Betreiber von Internetseiten ab sofort nicht mehr auf die Widerspruchslösung des TMG berufen können und fortan das explizite Einverständnis der Nutzer einholen müssen. Außerdem müssen sie genau darüber informieren, was mit den Nutzerdaten passiert, etwa ob diese an Werbetreibende weitergegeben werden.

Damit wird zwar der Schutz der Privatsphäre der Internetuser gestärkt, jedoch gibt es auch Kritik an der Entscheidung des BGH. Der Geschäftsführer des Branchenverbands Bitkom Bernhard Rohleder führte an, dass das Urteil Webseitenbetreiber schwer treffe und viele Internetnutzer nerve. Neben den hohen Auflagen der DSGVO müssten die Betreiber von Webseiten jetzt zusätzliche Prozesse und Formulare für ihre Web-Angebote einführen, um Cookies auch künftig nutzen zu dürfen.[21]

Die Betreiber von Internetseiten sind zudem nun dazu angehalten, den Anforderungen so schnell wie möglich zu entsprechen, da ansonsten hohe Bußgelder drohen. Zwar haben sich die Aufsichtsbehörden bislang zurückgehalten, was Verwarnungen und Anordnungen gegen die Cookie-Praxis deutscher Unternehmen angeht, weshalb bislang keine Bußgelder verhängt wurden.[22] Dies wird sich jedoch aller Voraussicht nach nun ändern. Auch bleibt zukünftig von den Datenschutzbehörden und letztlich den Gerichten zu klären, wann Cookies „unbedingt erforderlich“ sind – und wann nicht, da daran die Frage anknüpft, für welche Cookies überhaupt eine Einwilligung eingeholt werden muss.

Ebenfalls noch unklar ist, wie ein Widerruf der Cookie-Einwilligung umgesetzt wird. Datenschutzrechtlich kann eine Einwilligung jederzeit widerrufen werden. Ab dem Zeitpunkt des Widerrufs wäre das Setzen und Verarbeitung von Cookies nicht mehr zulässig. Da ein Webseitenbetreiber aber in der Regel die Identität seiner Besucher nicht kennt, stellt sich die Frage, wie ein zum Beispiel per E-Mail eingehender Widerruf beachtet werden soll. Daher ist eine Lösung dafür zu erarbeiten, wie Seitenbetreiber es den Nutzern ermöglichen können, die einmal erteilte Einwilligung jederzeit zu widerrufen.[23]

Somit mag das Urteil zwar in seinem Ergebnis nicht überraschen sein, jedoch wirft es Folgefragen auf, deren Beantwortung noch aussteht.

 

 

 


[1] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[2] Dachwitz, Werbetreibende dürfen Nutzer:innen keine Tracking-Cookies unterjubeln, netzpolitik.org, 28. Mai 2020, zuletzt abgerufen am: 09.06.2020.

[3] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[4] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[5] Schürmann, EuGH-Urteil zu Planet49: Aktuelle Handlungs­empfehlungen zur Nutzung von Cookies, srd-rechtsanwaelte.de, 4. Februar 2020, zuletzt abgerufen am: 09.06.2020.

[6] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[7] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[8] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[9] Bialek, Was das Cookie-Urteil des BGH für die Internetwirtschaft bedeutet, handelsblatt.com, 28. Mai 2020, zuletzt abgerufen am: 09.06.2020.

[10] EuGH Urteil vom 1. Oktober 2019 (C-673/17) Rn. 69.

[11] Nebel, Cookies nur mit Einwilligung?, lto.de, 30. September 2019, zuletzt abgerufen am: 06.09.2020.

[12] Hansen-Oest, Was bedeutet das „Planet49“-Urteil des EuGH für deine Cookies? Nicht jedes Cookie braucht ‘nen „Daumen hoch“, datenschutz-guru.de, 2. Oktober 2019, zuletzt abgerufen am 09.06.2020.

[13] BGH Urteil vom 16. Juli 2008 (Az. VIII ZR 348/06 – Payback)

[14] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[15] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[16] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[17] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[18] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[19] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[20] Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs: Bundesgerichtshof zur Einwilligung in telefonische Werbung und Cookie-Speicherung, 28. Mai 2020.

[21] Tagesschau, Aktives Ja zu Cookies muss sein, 28. Mai 2020, tagesschau.de, zuletzt abgerufen am: 09.06.2020.

[22] Hauck; Muth, Die Sache mit dem Haken, 28. Mai 2020, sueddeutsche.de, zuletzt abgerufen am: 09.06.2020

[23] Solmecke, Cookies zu Werbezwecken nur mit aktiver Einwilligung, 28. Mai 2020, wbs-law.de, zuletzt abgerufen am: 09.06.2020.

 

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