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Änderung des NetzDG: Fluch oder Segen?

Im Kampf gegen Hass und Hetze hat die Bundesregierung eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) auf den Weg gebracht. Diese Änderung soll zum einen die Rechte des Nutzers von sozialen Medien stärken[1], zum anderen werden die Betreiber solcher Plattformen zur Passwort-Herausgabe verpflichtet.[2]

Nutzerrechte in den sozialen Medien werden gestärkt

Tagtäglich sind Nutzerinnen und Nutzer von sozialen Medien wie zum Beispiel Facebook, Twitter oder Instagram Hass und Hetze ausgesetzt. Um diese zu schützen, hat die Bundesregierung eine Änderung des NetzDG beschlossen.

Betroffene können nun leichter gegen die Betreiber solcher sozialen Dienste vorgehen, wenn ein gemeldeter Beitrag nicht entfernt worden ist. Daneben gilt weiterhin, dass strafbare Inhalte nach 24 Stunden gelöscht werden müssen und auf Nutzeranfragen binnen 48 Stunden reagiert werden muss.[3]

Nutzerinnen und Nutzer, die Opfer von Hass oder Hetze im Internet geworden sind, können ihre Auskunftsansprüche gegenüber dem Plattform-Betreiber besser durchsetzen. So soll zum Beispiel die Melde-Funktion von Beiträgen leicht auffindbar und für jedermann zu bedienen sein, um somit die Übermittlung von Beschwerden zu vereinfachen.[4]

Verpflichtung zur Herausgabe von Passwörtern

Die Stärkung der Nutzer-Rechte in sozialen Medien könnte jedoch davon überschattet werden, dass die Änderung des NetzDG die Plattform-Betreiber zur Passwort-Herausgabe verpflichtet.[5]

Schon jetzt werden Beiträge und Inhalte die Beleidigungen, Bedrohungen, Hass oder Hetze enthalten, nach dem Strafgesetzbuch geahndet. Beispielsweise wird die Verleumdung nach § 187 StGB mit einem Freiheitsentzug von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft[6]. Wird eine Verleumdung öffentlich durch Schriften verbreitet (neben der Papierform gehören auch Ton- und Datenträger sowie das Internet dazu), wird diese mit einem Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren Gefängnis geahndet.[7]


Was durch die Änderung des NetzDG neu hinzukommt, ist, dass der Social-Media-Anbieter den Verstoß – zusätzlich zur Löschung des Beitrags – beim Bundeskriminalamt (BKA) melden soll. Dabei sollen auch IP-Adressen, Portnummern und auch Passwörter an das BKA weitergeben werden.[8]

Pflicht zur Passwort-Herausgabe wird kritisch betrachtet

Die Pflicht der Plattform-Betreiber zur Herausgabe von Passwörtern wird sehr kritisch betrachtet. So äußern namhafte Organisationen wie zum Beispiel die Wikimedia Deutschland in einem offenen Brief an Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ihre Bedenken bezüglich der Änderung des NetzDG.[9] Die unterzeichnenden Vereine und Organisationen fordern einen starken Schutz der Grund- und Bürgerrechte. Dazu gehört auch die freie Meinungsäußerung ohne Angst vor staatlichen Sanktionen, was auch einschließt, dass man keine Angst vor Bedrohung oder Beleidigung anderer Menschen haben muss.

Die Änderung des NetzDG dient dem Schutz der Meinungsfreiheit, jedoch schafft sie laut den unterzeichnenden Vereinen und Verbänden selbst „eine enorme Gefahr für die bürgerlichen Freiheiten“. Üblicherweise liegen Passwörter in verschlüsselter Form vor – ein Garant für die Sicherheit von IT-Systemen. Die verschlüsselten Passwörter nützen dem Staat jedoch wenig, weswegen die Gefahr besteht, dass staatliche Institutionen Anreize schaffen wollen, die die Provider dazu bewegen würde, die Passwörter in unverschlüsselter Form zu speichern. Dem steht aber der Datenschutz entgegen, zumal jede Nutzung digitaler Konten – von Facebook über E-Mail bis hin zum Online-Banking – sehr unsicher wird, wenn das Passwort unverschlüsselt auf den Servern des Anbieters liegt.

Die unterzeichnenden Vereine und Verbände prognostizieren, dass Deutschland durch die Änderung des NetzDG ein Paradies für Hacker wird. Diese müssten sich nicht mehr mühsam in einzelne Konten hacken, sondern nur Zugriff auf den Server erlangen, wo die Passwörter in unverschlüsselter Form gespeichert wären.

Durch die Änderung des NetzDG ist zu erwarten, dass jährlich personenbezogene Daten von hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern – auch zu Unrecht – gespeichert werden würden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz hat sich zur Aufgabe gemacht, im Internet Räume zu schaffen, wo man sich ohne Angst äußern könnte. Die derzeit geplante Änderung würde diesem Ziel jedoch genau entgegenlaufen.[10] Man müsste jederzeit damit rechnen, dass eine andere Person eine Äußerung als Beleidigung auffassen, sie deswegen melden und – im schlimmsten Fall – ein strafrechtliches Verfahren einleiten könnte. In diesem Sinn werden diese „Verschlimmbesserungen“ des NetzDG die Probleme noch verschärfen.

Die Unterzeichner des Briefes fordern die Bundesjustizministerin auf, auf Regelungen, die die Informations- und Medienfreiheit im Internet gefährden, zu verzichten. Vielmehr solle sie – online wie offline – Initiativen, die sich gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit einsetzen, unterstützen.[11]

Daten-Herausgabe hat uneingeschränkte Zustimmung des DRB

Der Deutsche Richterbund (DRB) hingegen begrüßte den Entwurf zur Änderung des NetzDG „in seiner Gesamtheit ausdrücklich“.[12] Der DRB argumentiert, es sei unbedingt notwendig, gegen politische Hetze – insbesondere in den sozialen Netzwerken – effektiv vorzugehen. Im Speziellen wird zudem die Herausgabe von Daten wie beispielsweise IP-Adressen oder Portnummern befürwortet. Die Änderung, dass bei Morddrohungen, Hetze und Hass die Weiterleitung der relevanten Inhalte und IP-Adressen an eine Zentralstelle im BKA zu erfolgen habe, genieße die uneingeschränkte Zustimmung des DRB. Durch die Änderung des NetzDG möchte man vor allem präventiv vorgehen. So seien im Netz schwere Straftaten noch vor ihrer Begehung zu ahnden.

Gleichzeitig weist der Deutsche Richterbund auf personelle Defizite hin. Die Strafjustiz arbeite derzeit schon an ihrer Belastungsgrenze. Nach den Transparenzberichten der Plattform-Betreiber liegen die halbjährlichen Meldungen im sechsstelligen Bereich.[13]

Die Bundesregierung stellt in ihrem Entwurf eine Rechnung auf, wieviel zusätzliches Personal benötigt wird.[14] Der DRB jedoch kritisiert die Rechnung der Bundesregierung, da die vorgestellte Zahl an zusätzlichem Personal nicht ausreichend sei. Demnach müssen die Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden über mehr personelle und technische Ressourcen verfügen, um dieser neuen Belastung Stand zu halten.[15]

Weitere Änderungen des NetzDG durch die Bundesregierung

Neben der Pflicht zur Passwort-Herausgabe und der Stärkung von Nutzerrechten werden durch die Änderung des NetzDG noch weitere Regelungen eingefügt.

So soll beispielsweise der Informationsgehalt des Transparenzberichts erhöht werden.[16] Nach § 2 NetzDG sind Anbieter von Social-Media-Plattformen, bei denen mehr als 100 Beschwerden pro Jahr eingehen, verpflichtet, einen Transparenzbericht zu erstellen. Dieser Bericht enthält unter anderem Informationen über den Umgang der Anbieter mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte.[17] Dieser Bericht soll nun auch Informationen enthalten, inwiefern bei der Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten organisierte Strukturen oder abgestimmte Verhaltensweisen vorliegen. Auch sollen die Betreiber informieren, inwiefern die Verbreitung von rechtswidrigen Inhalten zu einer spezifischen Betroffenheit bestimmter Nutzerkreise führt. Zudem sollen die Plattform-Betreiber über ihre Verfahren und technischen Systeme berichten, welche sie zum Aufspüren von unzulässigen Inhalten verwenden.

Die Bundesregierung erwartet, dass die Anbieter sozialer Plattformen aufgrund der neuen Regelungen die Bekämpfung strafbarer Inhalte verbessern und transparenter machen.[18] Eine individuelle Kontrolle der eingegangenen Beschwerden ist bei großen sozialen Netzwerken (z.B. bei Facebook) aufgrund des personellen Aufwands fast nicht möglich. Aus diesem Grund könnten die gemeldeten Beiträge – nach automatischer Prüfung – gelöscht werden. Da dabei auch die Gefahr besteht, dass die Anbieter Overblocking betreiben – nach dem Motto: lieber zu viel sperren als zu wenig – kann es sein, dass auch (straf-)rechtlich nicht relevante Inhalte blockiert werden. Aus diesem Grund hält die Änderung des NetzDG die Betreiber an, ihre Verfahren zur Sperrung eines Beitrags offen zu legen, sodass man selbst nachvollziehen kann, warum ein Beitrag gesperrt worden ist.[19]

Sofern zwischen einem Nutzer und dem Betreiber einer solchen sozialen Plattform ein Streit entbrannt ist, erwartet die Bundesregierung, dass durch die Änderung des NetzDG eine Beilegung solcher Streitigkeiten zukünftig einfacher und effektiver möglich sein soll.[20] Dafür sollen private Schlichtungsstellen ein einfaches, günstiges und unverbindliches Schlichtungsverfahren anbieten.[21]

Bewertung der Änderungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes

Die neuen Regelungen, die Nutzer von sozialen Medien wie zum Beispiel Instagram, Facebook, Twitter oder YouTube schützen sollen, sind auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung, um Hass, Hetze und Kriminalität im Internet zu bekämpfen.

Die Pflicht zur Herausgabe der Nutzerdaten durch die Anbieter von Social-Media-Diensten und die Gefahr des Overblockings überschatten jedoch die positiven Aspekte der Änderung des NetzDG. Was nützt es, wenn man Auskunftsansprüche gegenüber Plattformbetreiber besser durchsetzen kann, man aber Gefahr läuft, dass der Zugang zum Netzwerk an Ermittlungsbehörden weitergegeben oder eigene Beiträge gesperrt werden können?

Das NetzDG-Änderungsgesetz muss noch in den Bundestag eingebracht werden.[22] Änderungen – zum Beispiel hinsichtlich der Pflicht zur Herausgabe von Passwörtern – sind somit noch möglich.


[1] Mehr Schutz für Nutzer sozialer Netzwerke, tagesschau.de, 01.04.2020, zuletzt abgerufen am 14.04.2020.

[2] Marx, Verschärfte Gesetze gegen Hass und Hetze, tagesschau.de, 19.02.2020, zuletzt abgerufen am 14.04.2020.

[3] Mehr Schutz für Nutzer sozialer Netzwerke, tagesschau.de, 01.04.2020 (vgl. Fn. 1).

[4] Roßmann, Justizministerin will NetzDG nachbessern, sueddeutsche.de, 16.01.2020, zuletzt abgerufen am 14.04.2020.

[5] Marx, Verschärfte Gesetze gegen Hass und Hetze, tagesschau.de, 19.02.2020 (vgl. Fn. 2).

[6] § 187 StGB.

[7] Häfner, Welche Strafen bei Verleumdung und Hetze im Netz drohen, mdr.de, 23.05.2019, zuletzt abgerufen am 24.04.2020.

[8] Rudl, Bundesregierung beschließt Pflicht zur Passwortherausgabe, netzpolitik.org, 19.02.2020, zuletzt abgerufen am 15.04.2020.

[9] Rudl, Bundesregierung beschließt Pflicht zur Passwortherausgabe, netzpolitik.org, 19.02.2020 (vgl. Fn. 8).

[10] BdKom et al., Offener Brief zu den Referentenentwürfen „Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ und „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“, gi.de, 11.02.2020, zuletzt abgerufen am 15.04.2020.

[11] BdKom et al., Offener Brief zu den Referentenentwürfen „Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ und „Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität“, gi.de, 11.02.2020 (vgl. Fn. 10).

[12] Marx, Verschärfte Gesetze gegen Hass und Hetze, tagesschau.de, 19.02.2020 (vgl. Fn. 2).

[13] Deutscher Richterbund, Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, drb.de, zuletzt abgerufen am 15.04.2020.

[14] Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, bmjv.de, 31.03.2020, zuletzt abgerufen am 15.04.2020.

[15] Deutscher Richterbund, Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, drb.de (vgl. Fn. 13).

[16] Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, bmjv.de, 31.03.2020 (vgl. Fn. 14).

[17] § 2 Abs. 1 S. 1 NetzDG.

[18] Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, bmjv.de, 31.03.2020 (vgl. Fn. 14).

[19] Kaufmann, Tran­s­pa­renter, ein­fa­cher, aber nicht zu viel blo­cken, lto.de, 16.01.2020, zuletzt abgerufen am 24.04.2020.

[20] Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, bmjv.de, 31.03.2020 (vgl. Fn. 14).

[21] BMJV, Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, bmjv.de, 01.04.2020, zuletzt abgerufen am 28.04.2020.

[22] Mehr Schutz für Nutzer sozialer Netzwerke, tagesschau.de, 01.04.2020 (vgl. Fn. 1).

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