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Datenschutz und Corona: Telekom übergibt anonyme Handydaten an das Robert Koch-Institut

Am 18. März ist bekannt geworden, dass das Robert-Koch-Institut (RKI) im Kampf gegen die Corona-Pandemie nun auch die Auswertung von Handy-Daten nutzen will.[1] Damit kann das RKI Bewegungsströme nachvollziehen und den Erfolg der getroffenen Maßnahmen der Politik überprüfen. Die Coronakrise hat damit jetzt auch das Thema Datenschutz erreicht. Insofern stellen sich zwei zentrale Fragen: Welche Daten wurden überhaupt übermittelt und wie werden diese eingesetzt?

 

Welche Daten wurden übermittelt?

Wie die Deutsche Telekom mitgeteilt hat, übergab sie dem RKI am Dienstagabend ein Datenpaket im Umfang von rund fünf Gigabyte an anonymisierten Standortdaten. Um eine Anonymisierung zu gewährleisten wurden Daten von mindestens 30 Mobilfunknutzern zusammengefasst.[2] Eine Re-Personalisierung auf einzelne Nutzer sollen nicht möglich sein.[3] Insofern ist das individuelle Tracken eines Mobilfunknutzers ausgeschlossen. Die Nutzung der Daten „beschränkt“ sich vielmehr auf statistische Vorhersagen zur Bekämpfung des Coronavirus.[4] Nach Angaben der Telekom handelt es sich um Daten aus dem gesamten Bundesgebiet, die allerdings bis auf Kreise oder Gemeinden heruntergerechnet werden können.[5] Weitere Lieferungen von Datenpaketen sollen in den kommenden Wochen folgen.

 

Einsatz der Daten

Hintergrund ist, dass sich über solche anonymisierten Massendaten – sog. „Schwarmdaten“ – Bewegungsströme innerhalb der Bevölkerung darstellen lassen. In den vergangenen Jahren wurde bereits über die Deutsche-Telekom-Tochter Motionlogic der Verkauf von Massendaten zum Geschäftsmodell gemacht.[6] Mittels solcher Information können Kunden von Motionlogic insbesondere Standorte optimieren, um beispielsweise Werbetafeln zu schalten. Auch Telefónica betreibt eine Datenanalyseplattform. Dies ermöglicht, anonymisierte Daten an zahlende Kunden zu Zwecken der Analyse zu liefern.[7]

Die Telekom ließ den RKI-Forschern dieses Datenpaket nun kostenlos zukommen. So erklärt das Unternehmen, dass sie die Daten gerne staatlichen Stellen zur Verfügung stellen, sofern anonymisierte Schwarmdaten dazu beitragen können, dass sich der Verlauf der Infektionsrate verlangsamt.[8]

 

Datenschutzbedenken

Bedenken an dieser Praxis äußerte insbesondere der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiorowski. Zwar könnte die Nutzung von persönlichen Daten durchaus nützlich und sinnvoll sein, allerdings „können die Daten auch für sehr undemokratische Zwecke verwendet werden“.[9] Anonymisierte Daten sind aus datenschutzrechtlicher Perspektive kein Problem. Jedoch hält Wiewiorowski die vollständige Gewährleistung der Anonymisierung der Telefondaten technisch für schwierig.[10]

Das RKI und die Telekom versicherten hingegen, dass mittels der Anonymisierung in Datensätzen von mindestens 30 Personen Rückschlüsse auf Mobilfunknutzer nicht möglich sind. Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber (SPD) hält die Weitergabe der Daten für „datenschutzrechtlich vertretbar“.[11] Dies ist den besonderen Umständen zum Zweck des Gesundheitsschutzes geschuldet.[12] Das Verfahren zur Datenübergabe durch Motionlogic wurde 2015 mit den gemeinsam Datenschutzbehörden ausgearbeitet und von der damaligen Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff als datenschutzkonform bewertet worden.[13]

 

Praxis in anderen Ländern

In anderen Staaten – so beispielsweise China, Südkorea und Israel – stehen Datenschutzbedenken nicht sonderlich im Vordergrund. In China und in Südkorea wurden infizierte Menschen per Handydaten getrackt, um somit ihre Bewegungsdaten und Kontakte mit anderen Menschen zu ermitteln und dadurch zu kontrollieren, ob sie sich an die strengen Regeln halten. Die erlangten Informationen werden teils auch öffentlich gemacht, sodass sich Menschen aus deren Umfeld bei Verdacht testen lassen können. In Israel kommen derweil Methoden zum Einsatz, welche sonst nur im Anti-Terror-Kampf eingesetzt werden: Mobiltelefone von Corona-Infizierten werden dahingehend überprüft, ob diese die Quarantäne-Anordnungen einhalten.[14]

Wiederum einen ähnlichen Ansatz wie die Deutsche Telekom verfolgte der österreichische Mobilfunkbetreiber A1. Dieser hatte ebenfalls der Regierung anonymisierte Mobilfunkdaten weitergegeben, um zu Eindämmung der Coronakrise beizutragen.[15] Es handelte sich auch hier um Datensätze, die mindestens 20 Personen umfassen. Die Regierung sollte hierdurch eine Möglichkeit bekommen, um den Erfolg der getroffenen Maßnahmen zu überprüfen.

Wie in Bayern gelten in Österreich weitreichende Ausgangsbeschränkungen. Nur bei Vorliegen eines triftigen Grundes ist das Verlassen der eigenen Wohnung gestattet.[16] Der Vergleich der aktuellen Bewegungsdaten mit den vor der Ausgangsbeschränkung erfassten Daten hat gezeigt, dass der Bewegungsradius der österreichischen Bürger im Durchschnitt bis zu 50 % gesunken ist.[17]

Befürchtungen, dass sich die Weitergabe von Telefondaten aber zunehmend zu einer „Epidemie-Fußfessel“ entwickeln könnte, seien allerdings unbegründet.[18] So betonte der frühere Datenschutzbeauftragte für Schleswig-Holstein, dass es hierzulande derzeit an jeder Rechtsgrundlage fehle.[19]

 

 

 


[1] Vgl. https://www.afp.com/de/nachrichten/18/rki-will-handydaten-im-kampf-gegen-corona-pandemie-nutzen-doc-1pz7cb5 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[2] Vgl. Grunert/Löwenstein/Rüb, „Bleibt zu Hause! Wir kontrollieren euch“, FAZ.net, 18.03.2020 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[3] Vgl. https://www.afp.com/de/nachrichten/18/rki-will-handydaten-im-kampf-gegen-corona-pandemie-nutzen-doc-1pz7cb5 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[4] Vgl. https://www.afp.com/de/nachrichten/18/rki-will-handydaten-im-kampf-gegen-corona-pandemie-nutzen-doc-1pz7cb5 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[5] Vgl. Dalg, Coronakrise: Telekom teilt Handydaten mit RKI, backround.tagesspiegel.de, 18.03.2020 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[6] Vgl. Dalg, backround.tagesspiegel.de, 18.03.2020, abrufbar unter: https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/coronakrise-telekom-teilt-handydaten-mit-rki (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[7] Vgl. Rudl, Standortdaten und Corona: Unverhofftes Datengeschenk, netzpolitik.org, 19.03.2020  (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[8] Vgl. Dalg, backround.tagesspiegel.de, 18.03.2020, abrufbar unter: https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/coronakrise-telekom-teilt-handydaten-mit-rki (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[9] Vgl. https://www.afp.com/de/nachrichten/18/rki-will-handydaten-im-kampf-gegen-corona-pandemie-nutzen-doc-1pz7cb5 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[10] Vgl. https://www.afp.com/de/nachrichten/18/rki-will-handydaten-im-kampf-gegen-corona-pandemie-nutzen-doc-1pz7cb5 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[11] Vgl. https://www.zeit.de/digital/mobil/2020-03/coronavirus-infektionen-handydaten-robert-koch-institut (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[12] Vgl.  https://twitter.com/UlrichKelber/status/1240239195236466688 (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[13] Vgl. Dalg, backround.tagesspiegel.de, 18.03.2020, abrufbar unter: https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/coronakrise-telekom-teilt-handydaten-mit-rki (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[14] Vgl. Zeit Online, 18.03.2020, abrufbar unter: https://www.zeit.de/digital/mobil/2020-03/coronavirus-infektionen-handydaten-robert-koch-institut (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[15] Vgl. Grunert/Löwenstein/Rüb, FAZ.net, 18.03.2020, abrufbar unter: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/mit-handydaten-gegen-corona-kontakte-von-infizierten-aufspueren-16685414.html (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[16] Vgl. Dalg, backround.tagesspiegel.de, 18.03.2020, abrufbar unter:  https://background.tagesspiegel.de/digitalisierung/coronakrise-telekom-teilt-handydaten-mit-rki (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[17] Vgl. Grunert/Löwenstein/Rüb, FAZ.net, 18.03.2020, abrufbar unter:   https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/mit-handydaten-gegen-corona-kontakte-von-infizierten-aufspueren-16685414.html (zuletzt abgerufen am: 26.03.20).

[18] Vgl. deutschlandfunk, 21.03.2020 abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-telekom-teilt-handydaten-im-kampf-gegen.2850.de.html?drn:news_id=1112836 (zuletzt abgerufen am 26.03.20).

[19] Vgl. Krempl, „Epidemie-Fußfessel“: Datenschützer gegen Handy-Tracking von Coronavirus-Infizierten, heise online, 18.03.2020 (zuletzt abgerufen am 26.03.20).

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