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Pflicht zur elterlichen Kontrolle – Gerichtsurteil sorgt für Verunsicherung

Erneut sorgte ein Urteil des Amtsgerichts Bad Hersfeld, einer kleinen Kurstadt im Norden von Hessen mit nur rund 30.000 Einwohnern, für mediales Aufsehen.[1] Als erstes deutsches Gericht befasste es sich (wenn auch im Rahmen eines Sorgerechtsstreits) mit der Frage, ob die automatische Übermittlung von Telefonkontaktdaten an WhatsApp strafbar sei.[2] Nach Auffassung des AG würde diese Weitergabe mangels ausdrücklicher Einwilligung der Kontakte gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 I iVm Art. 2 I Grundgesetz verstoßen.[3] Wer im Rahmen der Nutzung von WhatsApp besagte Daten an den Betreiber weitergibt könne deshalb von jedem Betroffenen aus § 823 BGB bzw. § 1004 BGB auf Unterlassung in Anspruch genommen werden; was mit der Gefahr einer kostenpflichtigen Abmahnung einhergehe. Die Resonanz im Internets erfolgte prompt: Medien und User sprachen verunsichert von einer potenziellen Abmahnwelle.[4]

Fraglich erscheint nun, ob die normale WhatsApp-Nutzung plötzlich illegal sei? Immerhin nutzten 2016 über 50 Prozent aller Deutschen den beliebten Messeger-Dienst.[5] Relevant ist es, zunächst den von WhatsApp genutzten Mechanismus zu verstehen, mittels dem die Verbindung zwischen den einzelnen Nutzern hergestellt wird. Konkret wird dabei das Telefonbuch des Anwenders an den Messenger-Dienst übertragen. Es folgt ein Abgleich auf Übereinstimmung auf den Servern mit den Nummern der registrierten Nutzer hinsichtlich ihrer Daten. Trift das zu, erscheint die Person in den WhatsApp-Kontakten.[6] Grundlage der Auseinandersetzung ist dabei folgende Klausel in den Nutzungsbedingungen von WhatsApp: Du stellst uns regelmäßig die Telefonnummern von WhatsApp-Nutzern und deinen sonstigen Kontakten in deinem Mobiltelefon-Adressbuch zur Verfügung. Du bestätigst, dass du autorisiert bist, uns solche Telefonnummern zur Verfügung zu stellen, damit wir unsere Dienste anbieten können.[7]

 Tenor des Gerichts  

Vor diesem Hintergrund urteilte das Gericht, dass derjenige, der WhatsApp Zugriff auf die Telefonnummern seiner Kontakte gibt und diese im Zuge dessen automatisch an das Unternehmen weiterleite, ohne zuvor die Erlaubnis der Betroffenen eingeholt zu haben, eine Rechtsverletzung begehe.

Gegenstand dieses Verfahrens (Beschl. v. 15.05.2017, Az.: F 120/17 EASO) war ursprünglich ein Sorgerechtsstreit, der unter anderem die Smartphone-Nutzung eines elfjährigen Jungen zur Sprache brachte, in dessen Kontext der Richter primär den Datenschutz bemängelte. Er belehrte die Mutter des Kindes eindringlich, dass es einem deliktischen Verhalten ihres Sohnes entspräche, wenn es WhatsApp ohne Zustimmung aller Kontakte ermöglicht werde, regelmäßig Datensätze der auf dem Smartphone des Sohnes eingespeicherten Personen an einen Server in Kalifornien zu übermitteln.[8] Orientierungsthemen des Urteils sind somit Ausführungen zur Pflicht der elterlichen Aufsicht, der Kontrolle und Gefahren-Abwendung bei digitalen ’smarten‘ Medien (Smartphones, Tabletts, Apps, Messenger-Dienste) sowie zu klaren Absprachen und Vorgaben hinsichtlich der familiären Mediennutzung.[9]

Im Leitsatz heißt es demnach, dass wenn Eltern ihrem minderjährigen Kind ein digitales ’smartes‘ Gerät (z.B. Smartphone) zur dauernden eigenen Nutzung überließen, so würden sie zeitgleich angehalten sein, die Nutzung dieses Geräts durch das Kind bis zu dessen Volljährigkeit ordentlich zu begleiten und zu beaufsichtigen. Sollten die Eltern besagte Auflage aufgrund mangelnder eigener Kenntnisse nicht erfüllen können, seien sie zur unmittelbaren und kontinuierlichen Aneignung sowie persönlichen Weiterbildung hinsichtlich der digitalen Mediennutzung verpflichtet. Ergänzend sei eine (schriftliche) Eltern-Kind-Medien-Nutzungsvereinbahrung von Nöten. Auch wurde die Mutter im zugrundeliegenden Fall verpflichtet, von allen sich gegenwärtig im Telefonbuch des Elfjährigen gespeicherten Personen, schriftliche Zustimmungserklärungen einzuholen. Letzteres solle deren ausdrückliches Einverständnis mit der Weitergabe ihrer Daten an WhatsApp belegen.[8][9]

Aus den Geschäftsbedingungen von WhatsApp lässt sich zudem entnehmen, dass dessen Verwendung grundsätzlich erst ab dem 13. Lebensjahr gestattet sei. Würden Jugendliche unter 18 Jahren den Messenger-Dienst in Anspruch nehmen, hätten die Eltern als Sorgeberechtigte die Pflicht, ihr Kind hinsichtlich potenzieller, mit der Nutzung verbundener Gefahren aufzuklären und erforderliche Schutzmaßnahmen im Sinne ihres Kindes zu treffen. Begründend stellte das Gericht fest, dass nach den technischen Vorgaben des Dienstes fortlaufend Daten in Klardaten-Form von allen in dem persönlichen Smartphone-Adressbuch eingetragenen Kontaktpersonen an das hinter dem Dienst stehende Unternehmen übermittelt werden würden. Wer mittels seiner Nutzung diese Datenweitergabe ohne vorherige Erlaubnis der Betroffenen zulasse, begehe daher gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung. Risiko sei es, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt werden zu können – Kosten, die jedenfalls im Falle des Minderjährigen von den Eltern zu tragen seinen.[8][9]

 

Ausblick: Droht WhatsApp-Nutzern nun eine Abmahnwelle? 

Auch Datenschützer äußerten sich bereits kritisch hinsichtlich des vorherig geschilderten Sachverhalts. Dass bereits die Zustimmung des Anwenders zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Dienst automatisch ermächtige, auf sämtliche im Smartphone gespeicherten Kontakte zuzugreifen, sei mit Blick auf eine Rechtsverletzung mit theoretisch folgenden Schadenersatzansprüchen nicht zu unterschätzen.[8] Schließlich betreffe die Thematik jeden Nutzer. Dennoch, selbst wenn das Recht der gespeicherten Kontakte auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als verletzt zu werten sei – eine Abmahnung wäre regelmäßig paradox. Nur selten würden Freunde oder Bekannte einander kostenpflichtig verklagen wollen. Auch wäre ein solches Vorgehen nicht zielführend und ineffektiv, da man gegen jede einzelne Person, die im Besitz der eigenen Nummer war, vorgehen müsste, ohne zu wissen, ob sie WhatsApp nutze. Wer jedoch für den Zweifelsfall gewappnet sein wolle, der sollte laut Medienanwalt Christan Solmecke ein schriftliches Einverständnis als Beweis der zulässigen Weitergabe einholen. Lediglich Berufsgruppen, die geschäftsmäßig Kundendaten auf ihrem beruflich genutzten Smartphone speichern, sollten vorsorglich nicht die App installieren, da hier das rechtlich Risiko als erhöht einzustufen sei.[10]

Abschließend bleibt festzustellen, auch wenn die vorliegende Entscheidung aus Hersfeld für andere Gerichte nicht bindende ist, so habe das Urteil dennoch „Signalwirkung“. Nicht zuletzt würden viele Nutzer erst jetzt auf die seit Jahren gängige Praxis des Unternehmens aufmerksam werden.[5] Bislang sind jedoch keine Fälle tatsächlicher Abmahnungen bekannt.[6]

 

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Hersfeld (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[2] http://www.haz.de/Nachrichten/Medien/Uebersicht/Darum-drohen-WhatsApp-Nutzern-jetzt-Abmahnungen (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[3] http://www.zjs-online.com/dat/artikel/2015_3_906.pdf (zuletzt aufgerufen am 13.7.17)

[4] http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ag-bad-hersfeld-beschluss-f12017easo-WhatsApp-nutzung-kontakte-eltern-kontrolle-kinder-bis-volljaherigkeit/ (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[5] https://www.pcspezialist.de/blog/2017/06/28/ist-WhatsApp-illegal-WhatsApp-abmahnung/ (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[6] http://www.chip.de/news/Droht-WhatsApp-Nutzer-eine-Abmahnung-Gerichtsurteil-sorgt-fuer-wilde-Spekulationen_117628029.html (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[7] http://www.internet-law.de/2017/06/nutzung-von-WhatsApp-illegal-und-muessen-eltern-die-nutzung-des-messengers-unterbinden.html (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[8] http://www.taz.de/Gerichtsurteil-zu-WhatsApp/!5425252/ (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[9] http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/lexsoft/default/hessenrecht_lareda.html#docid:7876045 (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

[10] https://www.wbs-law.de/personlichkeitsrecht/urteil-weitergabe-der-WhatsApp-kontaktdaten-ist-illegal-droht-eine-abmahnwelle-73760/ (zuletzt aufgerufen am 12.7.17)

 

 

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