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Initial Coin Offering: unreguliertes Milliardengeschäft

Ein Tweet der 36-jährigen Hotelerbin Paris Hilton sorgt derzeit für hitzige Diskusionen. Anfang September verkündete sie über Twitter, am Initial Coin Offering (ICO) von Lydian, einer Plattform für den Verkauf von Krypotwährung, teilzunehmen. ICOs sind virtuelle Börsengänge, bei denen Start-ups keine Aktien herausgeben, sondern virtuelle Gutscheine, sogenannte Tokens (daher ist auch der Name Token Sales geläufig). Das heißt nichts anderes, als dass Firmen eine selbsterschaffene Kryptowährung gegen Geld tauschen. Am 15. November 2017 stellte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nun klar, dass ICOs auch in Deutschland rechtlich möglich sind. Andere Länder wie Südkorea und China haben ICOs hingegen bereits verboten. Der nachfolgende Artikel will ICOs rechtlich einordnen sowie Chancen und Risiken dieser neuen Finanzierungsmöglichkeit aufzeigen.

Deutsches Recht ist grundsätzlich immer dann anwendbar, wenn ICOs in Deutschland vermarktet werden. Es kommt also gerade nicht darauf an, dass das Start-up seinen Sitz in Deutschland hat, oder dass die Vertragsparteien die Anwendbarkeit deutschen Rechts vereinbart haben. Andererseits bedeutet dies auch, dass deutsches Recht nicht schon deswegen angewendet wird, weil ein deutscher Staatsbürger Tokens „besitzt“. Firmen sind daher nicht verpflichtet, die Staatsbürgerschaft ihrer Investoren zu überprüfen.

Die BaFin qualifiziert Bitcoins und andere Kryptowährungen als Finanzinstrumente gem. §1 Abs. 11 S. 1 KWG. Folglich ist dieses grundsätzlich anwendbar. Der bloße Verkauf der Kryptowährung stellt hingegen oft kein Bankgeschäft und keine Finanzdienstleistung dar, sodass regelmäßig keine Erlaubnispflicht gem. § 32 Abs. 1 S. 1 KWG besteht. Ob ein Anbieter eine Erlaubnis nach dem KWG, dem Kapitalanlagengesetzbuch (KAGB), dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), oder dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) benötigt, hängt damit von der konkreten Ausgestaltung des Vertrages ab. Neben dem KWG dürften auch die Regelungen zum Vertragsschluss, steuerrechtliche und verbraucherschutzrechtliche Normen, sowie eine Reihe weiter Regelungen, wie beispielsweise aus dem Banken- oder Investmentrecht, anwendbar sein.

Der rechtswidrige Handel mit ICOs kann zu Bußgeldern oder Gefängnisstrafen führen. Außerdem können Schadensersatzansprüche entstehen, die dazu führen, dass Ausgleichszahlungen für Kursverluste an Investoren geleistet werden müssen. Wer Verbraucherwiderrufsrechte missachtet, riskiert außerdem, dass Investoren selbst im Falle eines Kurssturzes den Kauf der Token noch Monate später widerrufen. Zur Risikoreduzierung sollten AGB und White Paper (Fallstudien, Ergebnis von Marktforschungen etc., die zu Marketingzwecken verwendet werden) daher nahe am Gesetz entworfen werden.

Diese rechtliche Unsicherheit ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, dass ICOs ein neuartiges Phänomen darstellen. Nach der Branchenseite Coinshedule existierten im Jahr 2016 gerade einmal 46 ICOs, die 96 Millionen Dollar erwirtschafteten. Bis 2017 stieg die Zahl der Token Sales auf 200 an. Der Umsatzstieg stieg auf 3,6 Milliarden Dollar. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (esma) aber warnt Investoren vor den hoch riskanten Token Sales. Die Preise seien extrem instabil. Oft lässt sich auch nicht abschätzen, ob tatsächlich auch ein Zweitmarkt existiert auf dem Anleger Ihre Tokens gewinnbringend verkaufen können, oder ob dieser Markt liquide ist. Hinzu kommt, dass es noch keine erprobten Geschäftsmodelle für ICOs gibt und White Paper die Funktionsweise der Tokens oft nur anhand des Programmiercodes aufzeigen. Diese sind für Anleger aber nur schwer überprüfbar. Daher sind ICOs anfällig für Betrug und Geldwäsche und werden auch für die Terrorismusfinanzierung genutzt.

Mehr als 360 ICOs sind derzeit in Planung. Grund genug also, um rechtliche Klarheit zu schaffen.

 

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