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Sicherheit vs. Datenschutz – Quo vadis ETIAS?

ETIAS steht für „European Travel Information and Authorisation System“ also ein „Europäisches Reiseinformations- und Genehmigungssystem”. Es soll künftig die visumfreie Einreise in die EU regeln, indem Einreisewillige einen Online-Antrag ausfüllen müssen, der umfangreiche persönliche Informationen abfragt. Unter anderem werden Angaben zu Identität, Reisedokument, Aufenthaltsort, Kontaktmöglichkeiten, infektiösen Krankheiten und Ausbildung bzw. Beruf erhoben. Diese Daten sollen dann mit bestehenden Datenbeständen wie beispielsweise von Europol und Interpol abgeglichen werden. Ist der Antrag einmal aufgefüllt und bewilligt ist er für fünf Jahre gültig. Für diese Dauer werden die Daten auch auf Vorrat gespeichert.[1]

Ziel von ETIAS ist es, den Grenzschutz zu verbessern, indem vorab die Risiken einer Person bezüglich irregulärer Migration und Sicherheit erfasst werden sollen.[2] Damit ist ETIAS Teil eines neuen Sicherheitskonzeptes der Europäischen Union, das vor allem die Bereiche Grenzschutz, Sicherheit und Migrationsmanagement erfasst. Weitere Initiativen hierzu wurden im Bereich der Herstellung der Interoperabilität bestehender Systeme gemacht, was gerade Funktionsvoraussetzung für ETIAS ist.[3]

Ein entsprechender Verordnungsentwurf[4] wurde bereits im November 2016 von der EU-Kommission vorgestellt. Der Rat der Europäischen Union hat bereits seine Stellungnahme[5] abgegeben und dem Vorhaben grundsätzlich zugestimmt. Es fehlt demnach nur noch die Antwort des Europäischen Parlaments um mit der Ausarbeitung einer endgültigen Fassung zu beginnen.[6]

Obwohl die EU-Kommission betont, dass der Datenschutz gewahrt bleibt,[7] kritisieren Datenschützer das Vorhaben. Der EU-Datenschutzbeauftragte Giovanni Buttarelli betont in seiner Stellungnahme[8], dass bislang keine Datenschutzfolgeabschätzung erfolgt ist. Dies sei jedoch nötig, um eine vollständige Überprüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von ETIAS durchführen zu können. Vor allem im Hinblick auf die abgefragten Gesundheitsdaten, die als besonders sensible Daten gelten, ist eine ausreichende Rechtfertigung des Eingriffs zu fordern. Zudem ist unklar, weshalb Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die von ETIAS erhobenen Daten gewährt werden soll, wenn es sich lediglich um ein Instrument des Grenzschutzes im Rahmen einer Vorab-Prüfung handelt. Des Weiteren problematisch ist die lange Speicherdauer von fünf Jahren, über die die Daten verfügbar sein sollen, sowie die fehlende Möglichkeit einer unabhängigen Überprüfung, ob die Rechte der Betroffenen gewahrt bleiben.[9]

Eine vergleichbare Initiative der EU-Kommission aus dem Jahr 2011 wurde aufgrund von Bedenken gegen das Verhältnis des Nutzens eines solchen Systems gegenüber dem Eingriff in die persönlichen Daten und der Kosten nicht weiter verfolgt.[10] Auch betreffend ETIAS wurden Bedenken bezüglich des Nutzens geäußert, nachdem eine Kontrolle bei Einreise auf dem Landweg, für den das größte Potential für ETIAS bestehen würde, meist entweder nicht stattfindet (z.B. bei Zugreisen) oder zu Praktikabilitätsproblemen führen könnte, wenn bei privater Einreise die Personen erst an der Grenze (z.B. mittels ihres Smartphones) den ETIAS-Antrag ausfüllen.[11]

ETIAS folgt dem US-amerikanischen Vorbild ESTA („Electronic System for Travel Authorisation“), welches eine Online-Anmeldung vor der Einreise in die USA vorsieht. Dieses System existiert bereits seit 2009 für visafreie Einreisen in die USA, die beispielsweise von Deutschland aus für bis zu 90 Tage möglich sind, war bisher jedoch nicht zwingend vorgeschrieben. Dies hat sich nun geändert: Wer sich nicht vorab anmeldet, darf von seiner Flugreisegesellschaft nicht mit in die USA genommen werden.[12]

[1] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Vorkontrollsystem-fuer-visafreie-EU-Besucher-soll-2020-online-gehen-3486552.html (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

[2] MMR-Aktuell 2016, 382915.

[3] MMR-Aktuell 2017, 390614.

[4] https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-security/legislative-documents/docs/20161116/proposal_etias_en.pdf (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

[5] http://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-9763-2017-INIT/en/pdf (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

[6] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Datenabgleich-EU-Staaten-befuerworten-Vorkontrolle-visafreier-Reisender-3736327.html (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

[7] EuZW 2016, 884.

[8] https://edps.europa.eu/sites/edp/files/publication/17-03-070_etias_opinion_en.pdf (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

[9] https://www.heise.de/newsticker/meldung/ETIAS-EU-Datenschuetzer-kritisiert-geplante-Vorkontrolle-visafreier-Reisender-3648790.html (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

[10] European Parliament, Policy Department, The European Union’s Policies on Counter-Terrorism, 2017, S. 135.

[11] European Parliament, Policy Department, The European Union’s Policies on Counter-Terrorism, 2017, S. 140.

[12] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Online-Anmeldung-bei-USA-Reisen-jetzt-zwingend-911065.html (zuletzt abgerufen am 08.06.2017).

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