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OLG München zur Beurteilungen von Bewertungen durch einen Algorithmus

Wie sehr das Internet einem Unternehmen nützen kann zeigt sich etwa am Beispiel von „Mustafa’s Gemüse Kebap“ in Berlin. Dieser wurde dank einer gekonnten Marketing-Kampagne zweier Studenten zum „berühmtesten Döner Deutschlands“. Regelmäßig soll sich dort eine Schlange von 150 Personen bilden. Umgekehrt können schlechte Bewertungen im Internet einem Unternehmen natürlich auch schaden. Umso wichtiger ist es, dass diese Bewertungen auch ordentlich ausgewählt und dargestellt werden. Nur so können sich Nutzer der Bewertungsplattformen ein objektives Urteil bilden. Dies ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts (OLG) Münchens nicht der Fall, wenn ein Algorithmus die Qualität solcher Bewertungen auch aufgrund wenig einleuchtender Kriterien beurteilt und deshalb eine große Anzahl von Bewertungen von den Nutzern der Plattform nicht wahrgenommen werden.

Sachverhalt

Entschieden hat dies das OLG aufgrund der Berufung der Klägerin, einer ehemaligen Bodybuilding-Weltmeisterin, gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 12.02.2016, Az.:25 O 24644/14. Die Klägerin betreibt zwei Fitnessstudios, die auf der Bewertungsplattform „Yelp“ mit 2,5 bzw. mit 3 Sternen bewertet wurden. Sie rügte, dass sich diese Gesamtbewertung nur aufgrund der von „Yelp“ als „empfohlen“ markierten Bewertungen ergebe, die übrigen – meist besseren – Bewertungen hingegen schwer auffindbar seien und verklagte „Yelp“ auf Unterlassen und Schadensersatz. Das LG München I hatte die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass auch eine Ermittlung der Gesamtbewertung nur aus den „empfohlenen“ Beiträgen eine geschützte (Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG, Art. 10 EMRK) Meinungsäußerung darstelle und ausreichend erkennbar sei, dass die Gesamtbewertung nur auf der Grundlage der „empfohlenen“ Beiträge ermittelt worden sei. Mithin sei die Verletzung der Klägerin in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht und dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht rechtswidrig.

Rechtsansicht des OLG

Das OLG München bejahte einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1Art. 19 Abs. 3 GG aufgrund einer Verletzung ihres Unternehmenspersönlichkeitsrechts und ihrem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewebebetrieb und sprach ihr auch einen Schadensersatz von rund 800 € zu. Aufgrund der Länge des Urteils, das aufgrund des § 3 TMG i.V.m. Art. 3 E-Commerce-Richtlinie auch Aspekte des Irischen Common Law behandelt, soll hier nur auf die – von der Rechtsansicht des LG abweichenden – Erwägungen des OLGs zur Rechtswidrigkeit eingegangen werden. Wie bereits das LG München I bewertete auch das OLG die von „Yelp“ dargestellte Gesamtbewertung als Meinungsäußerung. Nachdem jedoch auch das Unternehmenspersönlichkeitsrecht gem. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützt ist, sei zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Äußerung eine Abwägung der geschützten Güter vorzunehmen.  Im Rahmen dieser Abwägung verweist das OLG auch auf ein Urteil des BGHs vom 16.12.2014, Az.: VI ZR 39/14. Nach diesem Urteil trete die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter anderen Rechtsgütern zurück, wenn die Meinungsäußerung auf einem erwiesenermaßen falschen oder unwahren Tatsachenkern beruhe (vgl. Rn. 32 des BGH-Urteils). Dies sieht das OLG hier als gegeben an. Zwar seien die von „Yelp“ dargestellten Kundenurteile eine Informationsquelle, die geeignet ist, Dritten einen Überblick über die Leistung einzelner Unternehmen zu verschaffen, aufgrund der subjektiven Prägung der Kundenurteile sei jedoch ein möglichst vollständiger Überblick über die Eindrücke der Autoren erforderlich, denn der „Yelp“-Nutzer kenne die Verfasser der Beiträge i.d.R nicht persönlich.  Im konkreten Einzelfall seien aber 95% der abgegebenen Bewertungen nicht ohne weiteres erkennbar, weil diese nach vorheriger Feststellung des OLGs nur über einen unauffällig gestalteten Link erreichbar seien. Einen überzeugenden Grund für diese Differenzierung konnte das OLG nicht erkennen. Zwar verwende der von „Yelp“ genutzte Algorithmus auch einleuchtende Kriterien, er bevorzuge jedoch auch Nutzer, die auf der Plattform vernetzt sind. Warum man „Yelp“-Nutzern mit wenigen oder keinen Freunden misstrauen sollte, erschließe sich nicht. An dieser Bewertung ändere es auch nichts, wenn die Klägerin, wie vom Beklagten vorgetragen, aktiv für eine gute Bewertung ihrer Fitnessstudios im Internet geworben hätte. Dies bewertet das OLG nämlich als sozial-adäquat. Auf Grundlage dieser Argumentation bejaht das OLG den von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsanspruch.

Fazit

Das Urteil des OLG zeigt, dass Algorithmen auch in grundrechtlich geschützte Bereiche eingreifen. Eine durch Algorithmen vorgenommene Differenzierung muss daher jedenfalls aufgrund einleuchtender Kriterien erfolgen. Dass dies oft nicht der Fall ist, deutet sich in der im Urteil aufgegriffenen Äußerung des Beklagten an, dass anderer Vergleichsportale ähnliche Kriterien verwenden würden.

Quellen:

Urteil des OLG München vom 13.11.2018, Az.: 18 U 1280/16 Pre:

http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2018-N-29195?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1

Anmerkungen zum Urteil bei LTO:

https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/olg-muenchen-18u128016-gesamtbewertung-yelp-meinungsfreiheit-bewertungsportal-schadensersatz/

vgl. zu Mustafs Gemüse Kebap:

https://www.sueddeutsche.de/stil/doener-mustafas-gemuese-kebap-kommt-nach-muenchen-1.3607523

oder

https://www.bz-berlin.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg/phaenomen-riesen-schlange-warum-wollen-alle-zu-mustafas-gemuese-kebap

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