Gem. § 15 Abs. 1 FAO müssen Fachanwälte jedes Jahr belegen, dass sie sich auf ihrem Fachgebiet fortgebildet haben. Dieser Fortbildungsnachweis kann durch Teilnahme an speziellen Fortbildungsveranstaltungen oder durch wissenschaftliche Publikation im jeweiligen Fachgebiet erbracht werden. Entsprechende Nachweise müssen die Fachanwälte der Rechtsanwaltskammer zukommen lassen. Geschieht dies nicht, so kann die Rechtsanwaltskammer gem. § 43c Abs. 4 BRAO die Erlaubnis zum Führen des Fachanwaltstitels widerrufen.
Mit Urteil vom 20.06.2016 (Az.: AnwZ (Brfg) 10/15) hat der BGH entschieden, dass Veröffentlichungen eines Rechtsanwalts auf seiner eigenen Internetseite nicht als wissenschaftliche Fachbeiträge i.S.d. § 15 Abs. 1 FAO anzusehen sind. Sie dürfen folglich nicht als Fortbildungsnachweise angerechnet werden.
Geklagt hatte ein Fachanwalt für Informationstechnologierecht, dem die Rechtsanwaltskammer 2014 die Erlaubnis zum Führen des Fachanwaltstitels entzogen hatte. Die Kammer begründete dies damit, dass der Anwalt für das Jahr 2012 keinen Nachweis für seine Fortbildungstätigkeit erbracht hatte. Dieser hielt dem Entzug des Fachanwaltstitels entgegen, dass er im besagten Jahr seine Fortbildungstätigkeit durch zwei Fachbeiträge auf seiner eigenen Internetseite nachgewiesen hatte.
In erster Instanz hatte der Anwaltsgerichtshof Hessen mit Entscheidung vom 08.12.2014 (Az.: 1 AGH 7/14) dem Anwalt Recht gegeben und festgestellt, dass Publikationen auf der eigenen Webseite eine wissenschaftliche Publikation im Sinne des § 15 FAO darstellen können.
Allerdings verwarf der BGH auf die vom AGH Hessen zugelassene Berufung hin dessen Ansicht.
Der Fachanwalt hatte vorgetragen, dass die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen oft wenig sinnvoll sei, da hier häufig keine Fortbildung geschieht und die Teilnehmer stattdessen Zeitung lesen, essen trinken oder sogar schlafen. Viele Kollegen, so der Anwalt unterschrieben lediglich auf der Anwesenheitsliste, ohne den Fortbildungsveranstaltungen beizuwohnen. Demgegenüber sei die Veröffentlichung von Fachbeiträgen auf der eigenen Internetseite besser geeignet, die Fortbildungstätigkeit nachzuweisen.
Der BGH erkannte zwar, dass Fortbildungsveranstaltungen durch passive Teilnehmer missbraucht werden, allerdings könne auch bei Fachpublikationen durch Plagiate Missbrauch betrieben werden. Auf den Fachanwaltsfortbildungen böte sich wenigstens die Möglichkeit für die Teilnehmer sich durch aktive Partizipation in Form von Diskussionen oder Nachfragen fortzubilden.
Der BGH folgte der Ansicht der Rechtsanwaltskammer, wonach der Anwalt seiner Fortbildungspflicht nicht nachgekommen sei, da die von ihm veröffentlichten Beiträge für den Nachweis nicht geeignet seien. Eine wissenschaftliche Publikation, die den Anforderungen der §§ 43a BRAO i.V.m. 15 Abs. 1 FAO genüge erfordere, dass das Werk an ein bestimmtes Träger- oder Übertragungsmedium fest gebunden und damit der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich sei. Sinn einer wissenschaftlichen Publikation sei die Sicherung und Verbreitung einmal gewonnener Erkenntnisse, die von beliebig vielen Menschen zur Kenntnis genommen und fortentwickelt werden könnten. Diesen Voraussetzungen der fortwährenden Perpetuation genügten regelmäßig nur schriftliche Arbeiten, welche von einem Fachverlag veröffentlicht werden.
Elektronische Veröffentlichungen könnten zwar auch geeignet sein, dieses Kriterium zu erfüllen. Allerdings müssten die Inhalte dann dauerhaft verfügbar sein und unverändert bleiben, um zitierfähig zu sein. Bei der eigenen Homepage sei die Zitierfähigkeit nicht gegeben, da der Inhaber die Beiträge nach Belieben verändern oder gar entfernen könne, ohne dies zu dokumentieren. Zudem, so der BGH, garantiere die Veröffentlichung auf der eigenen Internetseite nicht denselben Niveaustandard, wie eine Publikation bei einem Fachverlag.
Daher handelt sich es bei den Beiträgen des Anwalts nicht um Fachbeiträge i.S.d. § 15 Abs. 1 FAO, sodass der Entzug des Fachanwaltstitels rechtmäßig war.
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