Mit Urteil vom 20.04.2016 (Az. 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09) hat das BVerfG entscheiden, dass die Ermächtigung des BKA zum Einsatz heimlicher Überwachungsmaßnahmen zur Gefahrenabwehr vor internationalem Terrorismus zwar im Grundsatz mit den Grundrechten vereinbar ist, die derzeitige Ausgestaltung der Befugnisse jedoch in Teilen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen.
Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen neue Befugnisse, die im Jahr 2009 in das BKA- Gesetz eingefügt wurden, welche Kompetenzen der Länder zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus an das BKA übertrugen. Außerdem richtete sich die Verfassungsbeschwerde gegen eine Regelung des BKA- Gesetzes zur Übermittlung von Daten ins Ausland, die durch die Aufgabenerweiterung ein weiteres Anwendungsfeld erhält.
Da die Gründe für die Verfassungswidrigkeit jedoch nicht den Kern der eingeräumten Befugnisse betreffen, gelten die betroffenen Vorschriften mit Einschränkungen überwiegend bis zum Ablauf des 30. Juni 2018 fort.
Das BVerfG stellte klar, dass das Interesse des Staates an seiner eigenen Sicherheit „mit anderen hochwertigen Verfassungsgütern im gleichen Rang“ steht. Die tiefgreifenden Eingriffe in die Privatsphäre, die auch in private Rückzugsräume eindringen könnten, deren Schutz für die Menschenwürde von besonderer Bedeutung sei, habe das Gericht mit dem großen Gewicht wirksamer Aufklärungsmittel zur Abwehr von Gefahren des Terrorismus für die demokratische und freiheitliche Ordnung und den Schutz der Grundrechte abgewogen und dabei die bisherige Rechtsprechung zu den für diesen Ausgleich maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anforderungen in grundsätzlicher Weise zusammengeführt, so das BVerfG.
Maßgeblich für die Entscheidungsgründe waren Verstöße des BKA- Gesetzes gegen die Grundrechte auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, welches sich ebenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ergibt, auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG sowie gegen das Fernmeldegeheimnis aus Art. 10 GG.
Demnach seien folgende Vorschriften verfassungswidrig:
- Regelungen zur Überwachung außerhalb von Wohnungen nach § 20g BKA- Gesetz. Diese Vorschriften seien nicht hinreichend begrenzt. Es sei zwar zulässig, Überwachungsmaßnahmen außerhalb von Wohnräumen zur Gefahrverhütung (statt zur Abwehr einer konkreten Gefahr) einzusetzen; es müsse dann aber „ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und absehbares Geschehen erkennbar sein“ oder aber „das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründen […], dass sie in überschaubarer Zukunft terroristische Straftaten begeht.“ Ebenso mangele es an Schutzvorschriften zum Kernbereich privater Lebensgestaltung; diese müssten sowohl für die Erhebung als auch für die Auswertung der Daten ergänzt werden.
- Die akustische Wohnraumüberwachung aus § 20h BKA-Gesetz von Verdächtigen, die selbst nicht verdächtig sind, aber mit dem Verdächtigen in Kontakt stehen, hält das BVerfG unter keinen Umständen für zulässig. Soweit die Wohnung des Verdächtigen selbst überwacht wird, müssten die Daten zudem – außer bei Gefahr im Verzug – zuvor von einer „unabhängigen Stelle“ gesichtet und dem BKA nur insofern weitergeleitet werden, als sie keine höchstpersönlichen Informationen enthalten.
- bei der Auswertung von Daten aus „informationstechnischen Systemen“ nach § 20k BKA-Gesetz will das BVerfG eine „unabhängige Stelle“ vorschalten, die die “ tatsächliche Durchführung“ gewährleisten und die „Entscheidungsverantwortung“ tragen soll. Das BKA dürfe zwar zu einzelnen Punkten hinzugezogen werden, die Sichtung der Daten dürfe aber im Wesentlichen nicht in seinen Händen liegen.
http://www.zeit.de/digital/2016-04/bka-gesetz-zu-terrorbekaempfung-ist-teilweise-verfassungswidrig